Zeit des Mondes by Ravensburger

Zeit des Mondes by Ravensburger

Autor:Ravensburger
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Ravensburger
veröffentlicht: 2013-01-15T16:00:00+00:00


24

„Was ist das für ein Haus?“, fragte ich, als sie das Gartentor öffnete und wir in den großen Garten hinter dem Haus gingen. Wir duckten uns und eilten zur GEFAHR-Tür.

„Es gehörte meinem Großvater“, sagte sie. „Er ist letztes Jahr gestorben. Er hat es mir vermacht. Es wird mir gehören, sobald ich achtzehn bin.“ Sie drehte den Schlüssel im Schloss. „Wir werden es bald renovieren lassen. Dann vermieten wir es.“

Wir gingen mit unseren Päckchen hinein, Säusel dicht hinter uns.

„Mach dir deshalb keine Sorgen“, flüsterte sie. „Es dauert noch Wochen, bis die Bauleute kommen.“

Ich knipste die Taschenlampe an. Wir gingen in das Zimmer, in dem wir ihn zurückgelassen hatten. Er war nicht da. Das Zimmer war still und leer, als ob er nie da gewesen wäre. Dann sahen wir hinter der Tür Minas Wolljacke und tote Schmeißfliegen auf den Bodenbrettern und hörten Säusel auf der Treppe miauen. Wir gingen auf den Gang und sahen Skelligs Körper auf den unteren Stufen liegen.

„Erledigt“, krächzte er, als wir uns neben ihn kauerten. „Todkrank. Aspirin.“

Ich kramte in seiner Tasche, nahm zwei von den Tabletten heraus und steckte sie ihm in den Mund.

„Du bist dort weg“, sagte ich. „Ganz allein bist du dort weg.“

Er wimmerte vor Schmerz.

„Willst du weiter hinauf?“, sagte Mina.

„Ja. Höher hinauf“, flüsterte er.

Wir ließen unsere Pakete da, hoben ihn zusammen auf und trugen ihn zum ersten Treppenabsatz.

Er stöhnte und wand sich vor Schmerz.

„Legt mich auf den Boden“, krächzte er.

Wir brachten ihn in ein Schlafzimmer mit einer hohen weißen Decke und verblassten Tapeten. Wir lehnten ihn gegen die Wand. Durch die Risse der Bretter vor den Fenstern drangen dünne Lichtstrahlen herein und erhellten sein blasses, trockenes Gesicht.

Ich rannte zurück zu den Päckchen. Wir breiteten die Decken aus, die wir mitgebracht hatten, legten sie mit einem Kissen auf den Boden. Wir stellten eine kleine Plastikschale für sein Aspirin und den Lebertran hin. Ich stellte eine offene Flasche Bier daneben. Dazu ein Käsebrot und einen halben Riegel Schokolade.

„Alles für dich“, flüsterte Mina.

„Lass uns dir helfen“, sagte ich.

Er schüttelte den Kopf. Er drehte sich um und kroch auf allen vieren auf die Decken zu. In dem einfallenden Licht sahen wir seine Tränen und wie sie zu Boden fielen. Er kniete keuchend neben den Decken. Mina ging zu ihm und kniete ihm gegenüber.

„Ich werde es dir bequemer machen“, flüsterte sie.

Sie knöpfte seine Jacke auf. Sie wollte ihm die Jacke ausziehen.

„Nein“, krächzte er.

„Vertrau mir“, flüsterte sie.

Er bewegte sich nicht. Sie zog die Ärmel von seinen Armen, nahm ihm die Jacke ab. Wir sahen, was wir beide erträumt hatten. Unter seiner Jacke waren Flügel, die durch die Risse seines Hemdes herauswuchsen. Sobald sie frei waren, entfalteten die Flügel sich. Sie waren verdreht, uneben und mit verbogenen und verkrümmten Federn bedeckt. Sie klapperten und zitterten, als sie sich öffneten. Sie waren breiter als seine Schultern, überragten seinen Kopf. Skellig ließ den Kopf hängen. Immer noch fielen Tränen herab. Er wimmerte vor Schmerz. Mina streckte ihre Hand aus, streichelte seine Stirn. Sie reichte mit der Hand noch weiter zu ihm hinüber und berührte die Federn mit den Fingerspitzen.



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