Zebulon by Rudolph Wurlitzer
Autor:Rudolph Wurlitzer [Wurlitzer, Rudolph]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-04-07T16:00:00+00:00
AM STADTRAND WURDEN SIE von fünf betrunkenen australischen Goldsuchern angehalten, die an diesem Morgen von ihren Grabungen herübergekommen waren, um zuzuschauen, wie Graf Ivan Baranofsky gehängt wurde, der einen der Ihren beim Kartenspiel getötet hatte. Als einer sich dicht an die Flanke von Delilahs Pferd stellte und ihr die Hand auf den Schenkel legte, schlug sie ihn mit der Peitsche ins Gesicht.
Bevor seine Kumpane reagieren konnten, packte Zebulon die Zügel ihres Pferdes, und zu dritt galoppierten sie Seite an Seite in die Stadt, wo die meisten Einwohner noch in der spanischen Kirche waren, die aus dem achtzehnten Jahrhundert stammte, und das Ende der Fastenzeit feierten. Ein paar Frauen richteten auf dem Stadtplatz Tische mit Enchiladas, Frijoles, Tamales, Grizzlysteaks und Apfel-, Pfefferminz- und Kirschkuchen her.
Hatchet Jack führte die beiden durch eine Ansammlung roter Ziegelbauten und dann ein schmales Gässchen hinter der Kirche hinunter zu einem Schuppen aus Lehmziegeln, der ein vergittertes Fenster hatte. Auf einer Bank vor der Tür saß ein Hilfssheriff mit einem Gewehr auf dem Schoß.
»Zutritt verboten«, sagte der Hilfssheriff. »Nur einer von euch kann durch das Fenster mit ihm sprechen.«
Hatchet Jack und Zebulon wechselten auf die andere Seite der Gasse, während Delilah sich dem Fenster näherte.
Ivan saß an die Wand gelehnt, ein Bein an eine lange Kette geschlossen.
»Ivan«, rief sie und spähte durch die Gitterstäbe.
Er sah auf. »Du hättest nicht kommen sollen.«
»Ich hatte keine Wahl.«
Er humpelte ans Fenster und griff durch die Eisenstäbe. Mit einem Finger berührte er ihre Hand.
»Du hättest mich schon längst verlassen sollen.«
»Ich hab’s versucht.«
»Das stimmt. Und wie du’s versucht hast. Ich hab immer gehofft … Weißt du schon, dass sie mich morgen hängen?«
»Übermorgen«, sagte der Hilfssheriff, der von seiner Bank aus zuhörte.
»Könnt ihr’s nicht vorverlegen?«, fragte Ivan ihn. »Je eher ich abtrete, desto besser. Damit dieses Drama ein Ende findet.«
»Ich frag mal nach«, sagte der Hilfssheriff. »Aber es ist nicht so leicht, ein großes Fest vorzuverlegen.«
»Auch ohne das Gold hatten wir genug, um uns zu retten«, sagte Ivan zu Delilah. »Das ist die bittere Ironie. Wir hätten überallhin gehen können – Ägypten, Tasmanien, Brasilien. Irgendwohin, nur weg von hier … Aber Schluss mit dem Wenn und Aber. Da ist mir der Henker noch lieber.«
Plötzlich bemerkte er Hatchet Jack und Zebulon, die auf der anderen Straßenseite standen, Zigarren rauchten und zu ihm und Delilah herüberschauten.
»Die sind mit mir da«, erklärte sie. »Zebulon jedenfalls. Den andern haben wir außerhalb der Stadt getroffen. Hatchet Jack. Er hat gesagt, er hätte schon mit dir zu tun gehabt.«
»Allerdings. Und er hat mir klargemacht, dass ihn keine Schuld trifft und dass er kein schlechtes Gewissen haben will. Weswegen?, hab ich ihn gefragt. Ich war entsetzt. Es hat mich auf den Gedanken gebracht, dass in Wirklichkeit er den Mann auf dem Gewissen hat, den ich erschossen haben soll. Mir war nicht danach, ihm die Absolution zu erteilen. Oder ihm sonst einen Gefallen zu tun. Nicht dass das in meiner Macht stünde. Und Zebulon kann mir auch gestohlen bleiben. Wenn du nicht dafür gesorgt hättest, dass er vom Schiff geht, hätte ich ihn über Bord geworfen.
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