Zarah Leander. Das Leben einer Diva by Jacobi Jutta
Autor:Jacobi, Jutta [Jacobi, Jutta]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: btb Verlag
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00
Manchmal weckte sie ihre Kinder nachts mit Apfelsinensalat: Zarah Leander mit Boel und Göran.
Auch bei der Ufa ist – unter der Leitung des Pressechefs mit dem mokanten Lächeln, Carl Opitz – am Gelingen der Operation Leander ein ganzer Stab von Leuten beteiligt. »Die Damen des Kostümateliers inspizierten mich und stellten fest, dass ich noch länger war als befürchtet, gerade Schultern hatte, niemals einen Büstenhalter trug und Füße mein Eigen nannte, die nur einem Schuhmacher Freude machen konnten: Alles musste speziell angefertigt werden, auch die Handschuhe«, so Zarah Leander selbstironisch. Über ihre körperlichen Voraussetzungen hatte schon »Premiere«-Regisseur Géza von Bolvary freche Bemerkungen gemacht: »Die Leander hat ja einen Hintern wie ein Ackergaul.« Aber dem Fotografen und Kameramann Franz Weihmayr gelang es, ihre Schönheit ins rechte Licht zu rücken, und Zarah Leander wusste, was sie ihm verdankte.
Er fotografierte neun meiner zehn Filme. Ich sagte ihm, dass ich halb blind sei und anfange zu schielen, sobald ich müde werde. Franz faszinierte dieser Blick, der auf Fotos ebenso lockend wie unergründlich wirken kann – so ist das nämlich mit kurzsichtigen Augen. Was ein Fotograf für Filmschauspieler bedeutet, können auch andere bezeugen. Ein Fotograf kann zaubern, wenn er will, und Franz Weihmayr zauberte oft mit mir. So hübsch wie auf seinen Bildern bin ich in Wirklichkeit nie gewesen. (…) Aber fotomäßig war ich offenbar gutes Rohmaterial, mit dem Franz gerne arbeitete. Er konnte sich stundenlang damit aufhalten, die Beleuchtung für eine einzige Nahaufnahme auszuprobieren. Ich war geduldig und konnte ewig lange still stehen, während er mich beleuchtete. Alles, was er unternahm, geschah ja zu meinem Besten.
»Halb blind« – hier übertreibt Zarah Leander. Wie ihr langjähriger, treuer Fan Paul Seiler berichtet, war sie bei weitem nicht so dramatisch kurzsichtig, wie sie immer zu behaupten pflegte. Immerhin hatte sie auf ihrer Russlandreise 1935 genug gesehen, um desillusioniert nach Hause zu fahren. Irgendeine Art von Sehhilfe brauchte sie allerdings. Und das bereitete Carl Opitz Kopfzerbrechen. Ein Star mit Brille? Das geht nicht. Aber vielleicht könnte man ihr einen ständigen Begleiter zur Seite stellen, eine Art Adjutanten. Die Wahl fällt auf einen »waschechten Grafen« Schönfeld, Karl mit Vornamen. So ein Adjutant ist wirklich praktisch. Er kann für die kurzsichtige Ausländerin die Augen aufhalten – oder zumachen, je nachdem.
Sieht sie die »lauernden, spitzelnden Galgenvögelgesichter« auf dem Ufa-Gelände nicht, die Ralph Benatzky erschrecken, als er im Juni wieder einmal aus der Schweiz nach Berlin kommt? Sieht sie die zackig zum Hitlergruß hochgerissenen Arme nicht? Sieht sie die angeschraubten Messingschilder mit der Aufschrift »Nicht für Juden« auf den Parkbänken nicht? Sieht sie die antisemitischen Hetzparolen des Stürmers nicht, die, in unzähligen Schaukästen ausgestellt, das Straßenbild dominieren? Die mit Hakenkreuzfahnen dekorierte forsellsche Wohnung in Stockholm signalisierte jedenfalls eines: die Bereitschaft, die Schatten des »Dritten Reichs« großzügig zu ignorieren.
Das war nicht so schwer. Man musste es nur genauso machen wie alle anderen ausländischen Geschäftsleute, die mit und in Hitler-Deutschland Geld verdienten: sich nicht einmischen in die inneren Angelegenheiten des Landes.
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