Zäpfel Kerns Abenteuer : Ein Märchen by Otto Julius Bierbaum
Autor:Otto Julius Bierbaum [Bierbaum, Otto Julius]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählung
ISBN: 3872911066
Herausgeber: Hamburger Lesehefte Verlag
veröffentlicht: 1965-12-31T22:00:00+00:00
Der Weg zog sich indessen doch mehr in die Länge, als Zäpfel Kern gedacht hatte. Aber nach Verlauf von drei Stunden kamen sie wirklich an eine Landesgrenze, die von einer groÃen Schar Bluthunde bewacht wurde, die gar nicht angenehm aussahen. Doch der Fuchs brauchte nur mit den Augen zu zwinkern, und die Zollsoldaten lieÃen die drei durch, nicht ohne jedem eine dicke Zollplombe angeheftet zu haben, der Katze und dem Fuchs an den Schwanz, Zäpfel Kern an die Nase.
»Das ist das Schlaraffenland?« fragte erstaunt das Kasperle.
»Jawohl!« antwortete kurz der Fuchs.
Zäpfel Kern hatte sich das Schlaraffenland ganz anders vorgestellt: Ãppig, lustig, voll Scherz und Tanz und Schmauserei, ein Land der ewigen Kirmes und Heiterkeit. Statt dessen bot die Stadt, in die sie nun kamen, ein Bild des Jammers, der Armut, des bittersten Elends. Halb verhungerte Kaninchen und Hunde krochen bettelnd in den öden StraÃen herum zwischen Hühnern und Gänsen, die vergeblich nach einem Körnchen, einem Grashalm suchten. Auch ein paar jämmerliche Fasanen waren zu sehen, aber ihre bunten Schweife waren ihnen ausgerissen. Desgleichen humpelten entsetzlich magere Pfauen die StraÃen entlang, die kein Rad mehr schlagen konnten, weil auch sie keine Schwanzfedern mehr hatten. Dagegen fuhren in prächtigen Kutschen groÃe Wölfe umher, auf deren Mützen die Fasanen- und Pfauenfedern prangten. Aber keiner dieser dicken Equipagenbesitzer hatte auch nur einen Blick für das arme Volk.
»Diese Stadt ist mir höchst unsympathisch«, meinte Zäpfel Kern, »machen wir, daà wir hinauskommen.«
»Gleich hinter ihr liegt das berühmte Feld!« sagte der Fuchs.
Und richtig, wie sie die Stadt hinter sich hatten, lag ein weiter, steiniger, kahler Acker vor ihnen.
»Gut gedüngt sieht das nicht aus«, meinte Zäpfel.
»Natürlich, weil gute Vorsätze ein unsichtbares Düngemittel sind und ihre Wirkungen mehr innerlich haben. Daà sie aber wirken, wirst du gleich merken, wenn du tust, wie ich dir gestern gesagt habe.«
Und Zäpfel Kern tat treulich nach des Fuchses Rezept: er grub zwei Löcher in die Erde, schön weit auseinander, damit die Zwanzigmarkbäume Platz hätten, sich auszubreiten, tat seine zwei letzten Goldstücke hinein, warf Erde darauf, streute Salz darüber, holte in seinem Zuckertütenhut Wasser, goà es darauf, wackelte ernsthaft wie ein Hexenmeister mit dem Kopf und sagte höchst feierlich:
»Erde und Salz!
Wasser und Schmalz!
Pinkus!
Gold und Quark!
Hunderttausend Mark!«
»Halt!« rief der Fuchs. Jetzt muÃt du sagen: Fünfzigtausend Mark!«
»Schade!« meinte Zäpfel, aber er wiederholte:
»Erde und Salz!
Wasser und Schmalz!
Pinkus!
Gold und Quark!
Fünfzigtausend Mark!
Pinkus!«
Dann fragte er, ganz rot vor Aufregung: »Und was muà ich jetzt tun?«
»Spazierengehen«, antwortete der Fuchs und rieb sich die Pfoten, »ein halbes Stündchen in der Stadt spazierengehen. Da wir dort Freunde haben, tun wir desgleichen. Doch haben wir nicht dieselbe Richtung. Wir müssen, rechts, du links!«
»Aber hoffentlich sehen wir uns doch wieder, wenn ich das Geld habe«, sagte Zäpfel Kern. »Ich möchte euch doch gerne was abgeben, als Dank für den guten Rat!«
»Du beleidigst uns!« sagte der Fuchs streng.
»Du hältst uns für gemeine Seelen!« miaute die Katze empört.«
»Wir gehören zu der leider aussterbenden Rasse der selbstlosen Wesen, die, was sie tun, aus gutem Herzen und nicht um eines Vorteils willen tun!« fügten beide mit frommem Augenaufschlag gleichzeitig hinzu und trotteten gemächlich ab, einem kleinen Wäldchen vor der Stadt zu.
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