Yseut by Streeruwitz Marlene
Autor:Streeruwitz, Marlene
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783104037691
Herausgeber: Fischer E-Books,
veröffentlicht: 2016-09-22T00:00:00+00:00
19. Folge.
Der Major schwenkte seine Elektrolarynx und piepste. Müde. Resigniert. Mascha stand auf. Ging ein paar Schritte. Setzte sich wieder. Yseut schaute von Mascha zum Major. Vom Major zu Gio Gio. Was war hier los. Wie gehörten diese Personen zusammen. In diesem Restaurant. Gestern Abend. An dem Tisch. Es hatte nicht den Eindruck gemacht, als kennten diese drei Personen einander so gut. Die hatten einander doch gar nicht richtig angeschaut. Die hatten doch aneinander vorbeigeschaut. Flüchtig hatte das ausgesehen. Unwichtig. Alle schienen in ihre Probleme versponnen gewesen sein. Mascha. Die Frau zwischen Vater und Sohn. Gio Gio. Der Mann auf der Suche nach einem Abenteuer. Der Major. Der Veteran in seine Behinderung beschränkt. Gio Gio hatte sich zu Mascha auf das Sofa fallen lassen. Alle drei saßen erschöpft da. Starrten vor sich hin. Gio Gio saß in sich zusammengesunken. Müde. Ältlich. Gio Gio seufzte. Yseut wurde wütend. Der Kuss eben. Sein Griff. Seine Zunge. Seine Erektion. Wie er sie an sich gepresst gehalten hatte. Ihr Körper. Noch in diesem Griff. Ihr Mund. Voll von seinem Kuss. Und jetzt. Der Mann abgewandt. In eine ganz andere Stimmung verfallen. Yseut stand da. Sie fühlte nichts. Einen langen Augenblick fühlte sie nichts. Dann. Sie musste lachen. Das war wie damals. Urlaubslieben. Mit irgendeinem Franco zum Eisverkäufer gehen. Lächeln. Radebrechende Verständigung. Ein Eis bestellen. »Mio nome.« »Sei sola.« »Sei solo tu.« Und die Hände streifen aneinander. Keine Küsse. Küssen. Das wäre damals schon die Einwilligung gewesen. Nach zwei Tagen dann. Die Eltern hatten nach Ravenna fahren müssen und alles besichtigen. Sie war zwei Tage nicht an den Strand gekommen. Franco steht mit einer anderen turista beim Eisverkäufer. Yseut wurde schwindlig. Eine Welle Tränen. Sie lehnte sich gegen diese Welle an. Das war nicht wichtig. Dass es immer so war. Das war nicht wichtig. Sie sagte sich das vor. Das hatte keinen Sinn. Es war auch schon alles wieder ungenau, und dieser Mann konnte nicht wissen, wie ihre Unsicherheit sie innen zertrümmerte. Oder ihre Sicherheit. Yseut hob den Kopf und drehte sich um. Wie kam sie hier hinaus. Sie fragte Mascha. Der Major piepste. Yseut drehte sich zu ihm herum. Ihre Pistole. Was habe er mit ihrer Pistole gemacht. Sie stand vor dem Major. Hielt ihm ihre Hand hin. Die Pistole. Sie wolle ihre Pistole. Sofort. Gleich. Unverzüglich. Instantly. Yseut fauchte den Mann an. Sie habe ihn gerettet. Habe sie ihn nicht gerettet. Wie käme sie dazu. Sie sei es nicht gewohnt, vor Hoteleingängen von Schlägertrupps abgefangen zu werden. Ihretwegen wäre so etwas noch nie passiert. Gio Gio setzte sich auf. Ja, rief sie. Sie wäre fast umgebracht worden. Wegen dieses Mannes da. Sie zeigte auf den Major. Gio Gio ließ sich nach hinten fallen. Er lag gegen die Lehne des Sofas geworfen. Mascha schüttelte den Kopf. O doch, rief Yseut. Ohne ihre Hilfe. Ohne sie. Ohne ihre Intervention. Der Major säße nicht hier. Könne er das zugeben. Ganz einfach zugeben. Und wie bitte. Wie bitte käme sie dazu, in solche Situationen zu geraten. Schlägertrupps. Hoodlums.
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