Yesterday by Christensen Lars Saabye

Autor:Christensen, Lars Saabye [Christensen, Lars Saabye]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00

2. TEIL

Hello goodbye

Herbst 67

Es war in meinem siebzehnten Lebensjahr: Ich kämpfte mich durch einen herbstlichen Wald hindurch, stolperte über Äste - Zweige schlugen mir ins Gesicht, die Kompaßnadel zitterte in Nord-Richtung, aber Schinkens handgezeichnete Karte stimmte mit dem Gebiet nicht überein. Ich war drauf und dran, mich zu verirren, und jetzt, jetzt, wo die Schritte mich einkreisen, die Fußspuren in dem pappigen Schnee vom Januar und dem neuen Jahr rund ums Haus verlaufen, jetzt, wo jemand hier war, versucht hat, hineinzuschauen, jetzt, wo ich denke, daß ich aus dem Chaos herauskommen muß, jetzt schaukelt der Kompaß von meiner Konfirmation sinnlos hin und her: Unsichtbar schreien die Vögel über mir, ich bahne mir den Weg, langsam wird die Zeit knapp, ich bekomme fast Panik, die Zeit rast mir davon, ich bin der letzte, der noch draußen ist, ich schiebe die Zweige zur Seite, und endlich sehe ich dort Cecilie, sie sitzt vor dem Ullevålseter auf einem Stein und füttert eine Ziege.

»Wie viele Markierungen haste gefunden?« fragte ich.

»Keine«, antwortete sie.

»Ich hab’ nur die dritte unten am Sognvann gefunden. Dann hab’ ich die Spur verloren.«

»Orientierungslauf ist das Idiotischste, was ich kenne«, sagte Cecilie und fütterte die Ziege weiter mit Brotscheiben.

Ich setzte mich eine Armlänge von ihr entfernt auf einen Stein und versuchte, mir auszudenken, was ich ihr Nettes sagen könnte. »Ich dachte schon, ich hätte mich verlaufen«, sagte ich. »Das ist ja der reinste Dschungel hier unten.«

»Ich bin direkt hierher gegangen«, sagte sie nur.

»Vor ein paar fahren war ich hier mal auf Angeltour. Mit Seb. Und Gunnar und Ola. Die gehn in die B-Klasse, naturkundlicher Zweig.«

Cecilie wirkte nicht sonderlich interessiert, Cecilie wirkte eigentlich überhaupt nicht interessiert. Die Ziege saugte an ihren Fingern, und sie sah überall hin, nur nicht zu mir, genau wie im Klassenzimmer. Cecilie saß neben mir in der vorletzten Reihe, und an ihrem Profil vor dem Fenster, da kam ich nicht vorbei, es war klar und weich zugleich, und ihre Augen, braun waren sie, glaub’ ich, braun, aber sie sahen nie zu mir herüber, sie sahen zur Decke, aus dem Fenster, auf den Tisch oder über den dunkelgrünen Wald hinweg, wo der Herbsthimmel ein kaltes und durchscheinendes Licht auf die Erde schickte.

»Wollen wir in der Hütte ein Bier trinken?« fragte ich schnell und pustete eine nervende Ameise von meinem Handrücken.

Cecilie stand einfach auf und ging, ich folgte ihr, hinauf in die Wirtsstube, wo wir einen Fenstertisch fanden. Ich bestellte mir Bier, Cecilie wollte unbedingt einen Johannisbeergrog.

»Ich fürchte, wir sind ein wenig auf Abwegen«, sagte ich.

»Wieso denn?«

»Oder hast du vielleicht irgend jemanden aus der Schule hier gesehen?«

Sie schüttelte den Kopf. Und dabei wurden ihre Haare ein bißchen unordentlich. Es gefiel mir gut, daß der Knoten im Nacken sich etwas löste und die Strähnen zu allen Seiten abstanden, wow, da wurde mir ganz flau im Magen.

Ich trank Bier.

Und überlegte, was ich jetzt wohl sagen könnte.

Ich drehte mir eine Zigarette. Cecilie rauchte nicht.

»Wie findste denn die Klasse?« fragte ich betäubt.

Sie lachte kurz, ich begriff nicht so recht, worüber, sah aus dem Fenster; ein alter Kerl kam mit Rucksack und Stock anmarschiert.

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