XY - Roman by Sandro Veronesi

XY - Roman by Sandro Veronesi

Autor:Sandro Veronesi [Veronesi, Sandro]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
Tags: Literatur
ISBN: 9783608102109
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2011-04-28T17:00:00+00:00


Die Signora Magnoni …

Die Signora Magnoni ist Gerichtsschreiberin am Gericht in Trient – Alberto kennt sie gut. Sie ist paranoid und krankhaft eifersüchtig. Ihr Ehemann ist ein ganz normaler Mann, Architekt, und ich bezweifle sehr, dass er sie betrügt, aber sie ist ein ganzes Jahr zu mir gekommen, zweimal in der Woche, zu fünfundsechzig Euro pro Sitzung, nur um über seine hypothetischen Geliebten und die Methoden zu sprechen, mit denen sie ihn überführen könnte. Eines Tages, vor vier Monaten, erscheint sie strahlend zur Sitzung, weil sie, sagt sie, das perfekte System gefunden habe, um ihren Mann festzunageln. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass er sie mit einer alten Flamme betrüge, einer gewissen Ursula, aus Südtirol, mit der er zusammengewesen sei, bevor er sich mit ihr verlobt habe – und zwar, weil sie am Abend zuvor bei einer ihrer häufigen Überprüfungen seines Handys eine SMS dieser Ursula gefunden habe, in der sie ihm mitteile: »Nein, morgen nicht.« Keine Nachricht davor und keine Nachricht danach, ja nicht einmal eine Nachricht von ihm an sie unter den von ihm verschickten SMS, weswegen Signora Magnoni felsenfest überzeugt ist, das sei die einzige Nachricht, die aus Versehen von einem Nachrichtenaustausch übrig geblieben sei, den ihr Mann wegen seines kompromittierenden Inhalts gelöscht habe. Und der Text »Nein, morgen nicht« bedeute ja wohl, dass sie sich in den gelöschten Nachrichten mit Sicherheit verabredet hätten, für sie ein plausibler Grund, sich eine Affäre einzubilden, die schon, weiß der Teufel wie lange, dauert, vielleicht seit immer schon, was bedeuten würde, dass die alte Beziehung nie wirklich aufgehört habe. Und an diesem Punkt, das Handy ihres Mannes in der Hand und ihr Mann unter der Dusche, sagt Signora Magnoni, habe sie eine Erleuchtung gehabt. Sie habe schlagartig begriffen, was sie tun müsse, und sie habe es getan; sie habe das Telefonverzeichnis ihres Mannes geöffnet und Ursulas Nummer durch ihre eigene ersetzt. Auf diese Weise würde von nun an jedes Mal, wenn der Mistkerl dieser Ursula eine Nachricht schicken würde, sie diese SMS bekommen, und auf diese Weise könne sie ihn festnageln. Ich enthalte mich jeden Kommentars und frage sie lediglich, ob sie während des Vormittags Nachrichten ihres Mannes erhalten habe, was sie verneint – doch sie ist sich sicher, dass sie sehr bald schon kommen würden.

Während der beiden folgenden Sitzungen ist Signora Magnoni sehr nervös. Ihr Mann hat sich noch immer nicht gemeldet, sie fürchtet allmählich, er könnte ihre Manipulation bemerkt haben. Sie ist eine krankhaft eifersüchtige Frau, ich sagte es schon, weswegen dieser Gedanke sie wahnsinnig macht und keinen Raum für anderes lässt. Sie sagt, sie habe das Handy ihres Mannes in der Nacht überprüft und unter dem Eintrag Ursula stehe immer noch ihre Nummer – doch da ihr Mann sich noch nicht gemeldet habe, sei ihr der Verdacht gekommen, er habe die Falle möglicherweise erkannt und Ursulas richtige Nummer unter einem anderen Namen abgespeichert, um sie doppelt zu verhöhnen. Ich weise sie darauf hin, dass es auch eine andere Erklärung für das Schweigen ihres Mannes geben



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