Wurfschatten (German Edition) by Simone Lappert

Wurfschatten (German Edition) by Simone Lappert

Autor:Simone Lappert [Lappert, Simone]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Metrolit
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00


Ein paar Minuten später saßen sie beide schweigend auf der Taxirückbank aus Kunstleder, den Geruch eines lila Duftbaums in der Nase, die Jacken über den Pyjamas zugeknöpft, jeder auf seiner Seite zum Fenster gekehrt. Die Nachtluft, die durch das leicht geöffnete Fahrerfenster strömte, war mild, es würde ein warmer Tag werden morgen. Sie fuhren vorbei an leeren Spielplätzen, Cafés und einem hellwachen Hotelportier, der auf einem Bein stehend versuchte, etwas von seiner Schuhsohle zu klauben, vorbei an Imbissbuden, in denen müde Wirte vor ihren Fernsehern saßen und sich an die Videoclipstrände auf ihren Bildschirmen träumten, an Prostituierten, die mit schlechtbezahltem Lächeln an der Rückmauer des Einkaufszentrums lehnten, über die Mittlere Brücke, unter der die Fische schliefen, durch die Altstadt und hoch ins stille Bankenviertel, wo die orange blinkenden Ampeln die wenigen Verkehrsteilnehmer sich selbst überließen, vorbei an einem auf und ab tigernden Museumswärter, der versonnen etwas in sein Smartphone tippte, wieder über die Köpfe der Fische hinweg und die Wettsteinbrücke hinunter, und dann am Rhein entlang, wo ein Mann im Taucheranzug tropfend durch die Dunkelheit spazierte, was Ada und Juri einen Blick austauschen ließ, ein Lächeln sogar, bis der Taucher aus ihrem Blickfeld verschwand und das Taxi weiterbrauste, dem Stadtrand entgegen.

„Die Stadt ist fast leer“, sagte Juri auf einmal, und leise: „Als würde es so etwas wie Aufregungen gar nicht geben, als würden wir uns die Tage und den Lärm und überhaupt die ganzen Verwicklungen nur ausdenken.“ Und ein wenig später und noch leiser sagte er: „Das ist schön.“

Ada betrachtete Juri verstohlen von der Seite. Mit seinem ausgeleierten Schlafanzug, den nackten Füßen in den offenen Stiefeln und den vom Herumwälzen zerzausten Haaren sah er schutzlos und ein wenig verloren aus. Auch Ada fühlte sich Juris Nähe schutzlos ausgesetzt, das hier war nicht Juris Bett, in dem sie aus Versehen gelandet war, es gab keinen Vorwand und keine Geschichte, die schützend zwischen ihnen beiden lag. Sie teilte etwas mit ihm, das bisher nur ihr allein gehört hatte. „Irgendwie werde ich mich nie daran gewöhnen, dass es immer wieder Nacht wird“, sagte sie und erschrak darüber, dass sie nicht nur das Taxi, sondern auch ihre Empfindung zu teilen bereit war. Die Nacht kam ihr jedes Mal vor wie ein anderes Land, in dem sie sich nicht auskannte, in dem andere Regeln galten. Und der Schlaf war eine Art Visum für den Aufenthalt im Dunkeln. Wer wach blieb, bewegte sich in der Nacht ohne Papiere.

„Als ich ganz klein war“, sagte Ada, „hat mein Vater mich oft hinten ins Auto gepackt, wenn ich nicht schlafen konnte und nur geschrien habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber er sagt, es sei die einzige Möglichkeit gewesen, mich zu beruhigen. Irgendwie ist das bis heute so geblieben. Solange man von jemandem irgendwo hingefahren wird, hat man die vollkommene Berechtigung dazu, nichts zu tun. Außer aus dem Fenster zu schauen, mit diesem sicheren Abstand zwischen sich und allem, und es geht immer weiter und man lässt alles zu gleichen Stücken hinter sich. Wenn ich könnte“, sagte sie,



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