Worum Es Geht by Jutta Ditfurth

Worum Es Geht by Jutta Ditfurth

Autor:Jutta Ditfurth
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rotbuch Verlag


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WAS TUN

Was also tun, wenn wir nicht in einem Land leben wollen, in dem bald Millionen Menschen im Ghetto eines mickrigen Grundeinkommens und einer schäbigen Grundrente existieren sollen? Wenn wir wollen, dass keiner früher stirbt, nur weil er arm ist, schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen hat und nie die bestmögliche Gesundheitsversorgung erfährt? Was tun, wenn wir nicht möchten, dass Menschen an den verrammelten Grenzen dieses Landes zerschellen? Wenn wir eine Gesellschaft nicht mehr ertragen, die von schreiender Ungleichheit durchtränkt ist? Wenn wir der Vernichtung der ökologischen Lebensgrundlagen nicht weiter zusehen wollen? Wenn wir nicht mehr erleben möchten, wie soziale Verachtung und Rassismus Kindern das Rückgrat brechen, so dass sie verwelken, bevor sie ihre Einzigartigkeit entfalten können?

Wenn wir die Opposition gegen diesen Terror der »Normalität« in einer kapitalistischen Gesellschaft ernst meinen, hat das Konsequenzen für uns. »Wir« meint kritische Menschen und emanzipatorische Linke aller Arten, zu deren Grundsätzen die Freiheit auf Basis sozialer Gleichheit gehört, Menschen, die diese Programmatik nicht nur als heimlichen Traum in ihren Köpfen verbergen, sondern handeln wollen und Bündnispartner suchen.

Eine solche emanzipatorische linke Politik ist während einer Weltwirtschaftskrise noch schwerer zu machen als zu anderen Zeiten – einerseits. Mit der Krise haben Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und die soziale Stigmatisierung von Langzeitarbeitslosen, Hartz-IV-Empfängern und Obdachlosen zugenommen. Ihre Würde wird längst angetastet. Angepasste Untertanen treten, wenn sie unter Druck geraten, gern nach unten, wälzen alle Risiken auf sozial Schwächere ab, während sie selbst sich dorthin durchzuprügeln versuchen, wo in dieser Gesellschaft »oben« zu sein scheint. Sie sind rassistisch, antisemitisch (auch wenn sie ihren Antisemitismus gelegentlich hinter wohlfeilen Bekundungen pro Israel verstecken), sie sind islamophob und beten Law and Order an, weil die herrschende ja ihre Ordnung ist und der Staat ihre Besitztümer und Privilegien verteidigen und den Untergang der anderen betonieren soll. Das Bewusstsein vieler Untertanen und Profiteure ist für rechtsradikales und faschistoides Denken anschlussfähig. Während wir also unsere Chancen zur Aufklärung und zur Erweiterung unserer sozialen Basis zu nutzen versuchen, wächst zugleich die Zahl unserer rechten Gegner, und die werden, wie nicht nur unsere tägliche Erfahrung zeigt, immer gewaltbereiter und gewalttätiger.12

Andererseits aber zerbrechen in dieser Krise Gewissheiten, und sie zwingen human denkende, aber bislang unpolitische Menschen zur Auseinandersetzung mit einer Wirtschaftsweise, die jahrzehntelang nur bei Strafe des »Extremismusverdachts« Kapitalismus genannt werden durfte. Das ist eine Chance. Es wäre eine große und selbstverliebte Dummheit, anzunehmen, dass wir allein sind. Damit gingen wir den deutschen Verhältnissen auf den Leim, deren Massenmedien uns so gern einhämmern, dass wir marginal sind. Das dort abgebildete Leben hat mit der sozialen Wirklichkeit ohnehin nur wenig zu tun. Wir sind eine Minderheit, aber alle sozialen Bewegungen, auch die historisch erfolgreichen wie die Arbeiterbewegung, waren selbst zu ihren Hochzeiten Minderheiten, wenn auch organisierte Minderheiten.

Die ersten Schritte politischen Denkens handeln meist von Dingen, die einen persönlich berühren. Diese Auseinandersetzung kann den Blick auf die Welt erweitern. Oder auch nicht, man kann auch im eigenen Nabel steckenbleiben. Ein anderes Scheitern ist die Illusion, wenn eine Organisation nur groß genug ist, ließe sich die Gesellschaft verändern. Reformistische Taktik und Strategie und Organisation aber sind Sackgassen, es hapert schon an ihren theoretischen Grundlagen.



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