Wohin die Dinge gehen (German Edition) by Anders Betti

Wohin die Dinge gehen (German Edition) by Anders Betti

Autor:Anders, Betti [Anders, Betti]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CW Niemeyer Buchverlage GmbH
veröffentlicht: 2014-08-18T22:00:00+00:00


14.

* * *

Als der Morgen graute, lag sie in seinen Armen auf dem Beifahrersitz und kraulte sein weiches Haar. „Geht’s dir jetzt besser?“, fragte sie leise. Er hob den Kopf von ihrer Schulter: „Ob es mir besser geht? Die Frage ist doch wohl eher, wie es dir geht.“ Er setzte sich auf und breitete seinen Mantel über sie. „Ich hab zuerst gefragt“, beharrte sie. „Okay“, er nickte, „eine Antwort ist wahrscheinlich das Mindeste, was ich dir schulde.“ Dann sagte er eine ganze Weile nichts mehr. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er sich mit der Antwort schwertat. „Ja, es geht mir besser“, sagte er schließlich bitter, „sogar hervorragend, um ehrlich zu sein. Ich habe seit Wochen nichts Vernünftiges gegessen; ich schlafe kaum noch und neuerdings überfalle ich junge Mädchen auf einsamen Feldwegen. Was soll ich sagen: Es geht mir wirklich großartig!“

Er sah sie an, als erwartete er, dass sie ihn jeden Augenblick zum Teufel jagte, und wirkte dabei so bezaubernd menschlich, dass sie sich nicht daran sattsehen konnte. „Ich habe keine Ahnung, was du mit mir machst oder warum du das machst“, fuhr er leise fort und schüttelte den Kopf, „aber ich weiß, dass ich den verfluchten Hunger vergesse, wenn du es machst.“

Vorsichtig zog er den Mantel ein Stück beiseite und betrachtete ihre geschredderte Garderobe und die blauen Flecke auf ihren Armen. „Du machst, dass ich mich lebendig fühle, Selma“, sagte er rau, „und zum Dank dafür ... tue ich dir weh.“ „Nicht sehr“, sagte sie schnell, „so schlimm war’s nicht.“ Eigentlich war es sogar ziemlich fantastisch, aber das musste man ihm im Moment nicht auf die Nase binden. „Nicht so schlimm?“, er starrte sie verständnislos an, dann kicherte er plötzlich, aber es klang merkwürdig humorfrei: „Verstehst du nicht, was ich sage? Ich wollte dir wehtun. Ich fürchte, ich ... wollte dich sogar umbringen.“ Das reichte. Sie schüttelte energisch den Kopf und sagte laut und deutlich: „Schwachsinn!“ Er wollte offensichtlich weitere Einwände erheben, aber sie war noch nicht fertig: „Wir hatten Sex, okay? Ist doch scheißegal, ob es wehgetan hat! Oder hast du irgendwann ein ,Nein‘ gehört?“ Wahrscheinlich wäre ihre Mutter nicht glücklich darüber, dass ihre Tochter für Frauenversteher und andere Weicheier nichts übrig hatte, aber das änderte nichts an den Tatsachen.

„Ich weiß ja nicht, mit wem du sonst in die Kiste gestiegen bist“, erklärte sie, „aber falls du’s noch nicht gemerkt hast: Ich steh’ nicht auf Blümchensex. Das ist mir echt zu ...“ Sie brach ab, als ihr ein äußerst irritierender Gedanke kam. Der vielleicht einiges erklärte ... „Sag mal“, fing sie vorsichtig an, „wie lange ist es eigentlich her, dass du das letzte Mal was mit einer Frau hattest?“ „Eine Weile“, antwortete er und warf ihr einen warnenden Blick zu, aber sie ließ sich nicht beirren: „Das ist nicht besonders konkret.“ Es dauerte etwas, bis er antwortete: „Siebzehnhundertdreiundsiebzig.“ Und sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es sich dabei um eine Jahreszahl handelte.

Armer Kerl!

Sie pfiff leise durch die Zähne: „Heißt das etwa, als Vampir hast du niemals .



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