Wo samstags immer Sonntag ist. Ein deutscher Student in Israel by Flohr Markus

Autor:Flohr, Markus [Flohr, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3
Tags: Sachbuch, Biografisches, Israel, Reiseberichte, Auslandserfahrung, Orient, Palästina, Juden, Humor, Politik, Israelreise
ISBN: 9783644304314
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2011-01-13T23:00:00+00:00

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Fünfzehn Sekunden

Als der Krieg begann, ging Joel beten, denn es war Schabbat. Simson, Ruth und ich saßen im Wohnzimmer, der Fernseher lief. Ruth sah sich ihre «Seinfeld»-DVD zum dritten Mal an, aß dabei aus einem großen lila Becher Schokoladeneis. Da wir keine Antenne hatten, konnten wir ohnehin keine Nachrichten schauen, selbst wenn wir Ruth, Seinfeld und das Schokoladeneis voneinander getrennt hätten. Draußen war es dunkel und kalt. Der 27. Dezember ist auch in Jerusalem dunkel und kalt. Wir wussten, dass der Krieg begonnen hatte, weil die Redaktion bei Simson anrief und ihn bat, nach Gaza zu fahren.

«Gaza? Luftangriffe? Panzer? Was? Ja, ich habe mal bei der Armee fotografiert. Ob . . . Weiß ich nicht. Ich . . . Ja. Sperrgebiet? Ab heute Abend. Ach so. Jetzt gleich? Sofort? Die BMW? Einen Moment.»

Simson legte seine Hand über den Hörer, ging in den Garten, zog die Glastür halb hinter sich zu, steckte sich eine Zigarette an und telefonierte weiter. Der Rauch zog ins Wohnzimmer. Ruth stellte den Eisbecher auf den Couchtisch und rümpfte die Nase. Simson kam zurück und mit ihm jede Menge Rauch.

Ruth: «Sie wollen, dass du nach Gaza fährst? Das wirst du schön bleibenlassen. Ich meine, weißt du, worauf du dich da einlässt? Nein, kannst du ja gar nicht. Oder warst du etwa schon mal da?»

«Was geht dich das an?»

«Ich meine ja nur. Du bist Amateur. Für so etwas gibt es Profis, oder? Diesen Kriegsreporter. Zvi Cohen, oder wie der heißt.»

«Ziv Koren.»

«Genau. Den sollen die mal anrufen.»

«Hast du eine Vorstellung, was der kostet?»

«Nein. Aber dass du billiger bist, kann ich mir denken.»

Simson stand auf, ging in sein Zimmer und packte seine Sachen. Ruth sah mich kurz an, zuckte mit den Schultern, und zurück ging es zu Eis und Seinfeld.

Simson trug einen rot-schwarzen Motorradanzug aus Leder, als er unsere Wohnung verließ, unter dem Arm klemmte der Helm. Er hatte mehrere Taschen dabei, mit seinen Kameras, Objektiven und einem Stativ. Ruth stellte sich in die Tür und wollte ihn aufhalten. Sie hielt ihn fest. Er musste lachen. Er lachte sie aus.

«Fährst du jetzt mit dem Roller?», fragte ich. Nun lachte er mich aus.

«Ich bekomme ein großes Motorrad geliehen, eine BMW. Mit dem Roller wäre ich erst da, wenn es Gaza schon nicht mehr gibt.»

«Ruf an, wenn etwas ist», sagte Ruth.

Simson fuhr in den Krieg, aber er sollte anrufen, wenn was war. Und dann?

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