Wo die Nacht beginnt by Harkness Deborah

Wo die Nacht beginnt by Harkness Deborah

Autor:Harkness, Deborah [Harkness, Deborah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2013-01-27T23:00:00+00:00


21

Habe ich recht daran getan, Euch zu rufen, Goody Alsop?« Susanna rang die Hände und sah mich ängstlich an. »Um ein Haar hätte ich sie heimgeschickt«, sagte sie schwach. »Aber dann …«

»Aber das habt Ihr nicht, Susanna.« Goody Alsop war so alt und dünn, dass ihr die Haut an den Knochen von Hand und Unterarmen zu kleben schien. Dafür war die Stimme der Hexe erstaunlich fest für eine so gebrechliche Gestalt, und aus ihren Augen sprühte ein wacher Geist. Auch wenn diese Frau über achtzig sein mochte – niemand würde es wagen, sie als hinfällig zu bezeichnen.

Nachdem also auch noch Goody Alsop eingetroffen war, platzte die Stube der Normans aus allen Nähten. Nach längerem Zögern hatte Susanna Matthew und Piere gestattet, sich im Haus zu postieren, vorausgesetzt, sie berührten nichts. Jeffrey und John sahen abwechselnd mit großen Augen auf die Vampire und das Küken, das jetzt wohlbehütet in Johns Kappe am Kamin ruhte. In der warmen Luft begannen sich die Federn aufzustellen, und es hatte Gott sei Dank aufgehört zu piepsen. Ich saß auf einem Hocker am Kamin neben Goody Alsop, die den einzigen richtigen Stuhl im Raum besetzt hatte.

»Lasst Euch ansehen, Diana.« Als Goody Alsop, genau wie es Witwe Beaton und Champier getan hatten, mein Gesicht berühren wollte, zuckte ich zurück. Die Hexe hielt inne und runzelte die Stirn. »Was ist denn, Kind?«

»In Frankreich versuchte ein Hexer meine Haut zu lesen. Es fühlte sich an, als würde er mich mit dem Messer zerschneiden«, erklärte ich flüsternd.

»Es wird nicht besonders angenehm sein – welche Untersuchung ist das schon? –, aber wehtun sollte es nicht.« Ihre Finger erforschten meine Gesichtszüge. Ihre Hände waren kühl und trocken, die Adern traten unter der fleckigen Haut hervor und krochen über knotige Gelenke. Ich spürte ein vorsichtiges Bohren, aber das war nicht mit den Schmerzen, die Champiers Hände mir bereitet hatten, zu vergleichen.

»Aha«, hauchte sie, als sie über meine glatte Stirn strich. Mein Hexenauge, das in seine typische frustrierende Lähmung verfallen war, sobald Susanna und Annie mich mit dem Küken entdeckt hatten, öffnete sich weit. Goody Alsop war eine Hexe, die es kennenlernen wollte.

Ich blickte mit meinem Hexenauge in Goody Alsops drittes Auge und versank in einer Welt von Farben. Doch sosehr ich mich auch anstrengte, die bunt gewebten Fäden wollten sich nicht zu etwas Erkennbarem anordnen, obwohl ich wieder einmal das quälende Gefühl hatte, dass sie mir irgendwie nützlich sein könnten. Ich spürte ein stilles Kitzeln, als Goody Alsop mit ihrem zweiten Gesicht meinen Körper und meinen Geist erforschte, und ich sah die Energie in einem lila getönten Orange um ihre Silhouette pulsieren. Ich hatte zwar nicht allzu viel Erfahrung, aber bisher hatte noch niemand diese besondere Farbkombination ausgestrahlt. Sie gab ein leises »Ts-ts« von sich, dann ein, zwei wohlwollende Laute.

»Die ist wirklich seltsam, oder?«, flüsterte Jeffrey und spähte dabei über Goody Alsops Schulter.

»Jeffrey!«, schnaufte Susanna, der das Verhalten ihres Sohnes peinlich war. »Das ist immer noch Mistress Roydon.«

»Na gut. Mistress Roydon ist wirklich seltsam«, korrigierte sich Jeffrey ungerührt. Er stützte die Hände auf die Knie und beugte sich vor.



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