Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen by Walter Andrea

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen by Walter Andrea

Autor:Walter, Andrea [Walter, Andrea]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-09-15T22:00:00+00:00


Gletscherlagune

Die Kälte der Gletscher kann man übrigens fühlen. Ein eisiger Hauch schlägt einem in ihrer Nähe entgegen. Bald nach Ingólfshöfði kommt die Gletscherlagune Jökulsárlon. Riesige Eisbrocken schwimmen in einem Gletschersee. Als ich das erste Mal hier war – damals benutzte man noch Kameras mit Filmen – habe ich sie hier alle verknipst. Weil das zarte Blau, in dem das Eis hier strahlt, so betörend ist. Besonders, wenn dazwischen Seehunde spielen. Außerdem kracht und plätschert und knackt es unaufhörlich. Wie in einem Whiskyglas mit frisch eingefüllten Eiswürfeln, nur um ein Vielfaches lauter. Die Lagune ist permanent in Bewegung. Ab und zu bricht etwas ab von den dicken Brocken, deren wahre Größe unter Wasser liegt. In dieser Zauberwelt wurden übrigens Szenen von James Bonds Stirb an einem anderen Tag gedreht. Die Isländer schmunzelten. James Bond, in Island? Wie absurd.

Es wird schon dunkel, als ich mich losreißen kann. Ich fahre nach Höfn, einem kleinen Hafenort kurz vor den Ostfjorden. Es sind noch knapp 50 Kilometer, als ich auf die Tanknadel schaue, die verdächtig nah am roten Bereich klebt. Verdammt, denke ich, während ich durch die Einsamkeit fahre. Was mache ich, wenn ich stehen bleibe? Hier gibt es keine Tankstellen mehr. Und selbst wenn ich jetzt noch eine Zapfsäule fände, wäre sie nur mit Kreditkarte bezahlbar – und ich habe meine PIN vergessen. Ich rase durch die Dunkelheit und mit mir die Gedanken. Was macht man, wenn man spätabends in der Kälte im Niemandsland allein stehen bleibt? Seit Ewigkeiten ist mir niemand mehr entgegengekommen. Ich trete aufs Gas. Es hagelt. Könnte ich zur Not im Auto schlafen oder würde ich erfrieren? Ab und zu sehe ich jetzt das Licht eines einsamen Hofes. Kurz bin ich erleichtert. Doch dann frage ich mich, wie es wäre, wenn man da einfach hinginge und sagte: »Entschuldigung, haben Sie etwas Benzin?« Ich meine: Wer wohnt auf so abgelegenen Höfen? Ich stelle mir plötzlich die verrücktesten Schrate vor. Und Szenen aus Shining. Solche einsamen Gegenden bin ich einfach nicht gewöhnt. Da, wo ich lebe, kriegt man zu jeder Tages- und Nachtzeit Benzin oder einen Bus. Hier bin ich im Nichts. Und kein Benzin heißt, ausgeliefert sein. Woher kommt es eigentlich, dass in der isländischen Wildnis ab und zu Menschen verschwinden, frage ich mich in selbst ausgedachten Horrorszenarien. Während sich die Tanknadel immer tiefer auf den Punkt null zubewegt. Wobei das natürlich großer Unsinn ist. Deutlich wahrscheinlicher als eine schaurige Begegnung ist, dass auf einem Hof in der Einöde ein freundlicher Mensch die Tür aufmacht, Pfannkuchen und heiße Schokolade anbietet und sich über Heinrich Heine, Goethe oder Stefan Zweig unterhalten will, deren Werke er so schätzt.

Irgendwann sehe ich die Lichter von Höfn. Selten war ich so erleichtert. Auf den letzten Kilometern fängt das Auto an zu röcheln. Aber ich schaffe es noch, gerade so. Und dann mache ich den Besitzer eines Restaurants im Ort reich. Weil ich zum Essen zwei Glas Rotwein trinke. Für zwanzig Euro. Autsch.

Am nächsten Tag tanke ich und fahre den ganzen Weg zurück. Die Inselumrundung bewahre ich mir für ein anderes Mal auf.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.