Wir drei aus Nummer 4 by Christian Tielmann

Wir drei aus Nummer 4 by Christian Tielmann

Autor:Christian Tielmann [Tielmann, Christian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: kinder
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2014-05-09T22:00:00+00:00


Mamas Wörter kamen irgendwie viel zu schnell aus ihrem Mund für meinen Verstand. Wieso Hamburg? Wieso umziehen? Was war denn dann mit mir und meinen Mama-Wochenenden? Oder sollten Papa und ich etwa auch nach Hamburg ziehen? Musste ich schon wieder alles einpacken und die Rabenstraße verlassen? Oder würde ich Mama nie wiedersehen? Ich verstand überhaupt nichts.

»Und was wird aus mir?«, fragte ich und merkte, dass ich fast heulen musste.

»Für dich ändert sich fast gar nichts«, sagte Mama. »Du kommst jedes zweite Wochenende zu mir nach Hamburg.«

»Ich kenn aber den Weg gar nicht«, sagte ich.

Da musste Mama lachen. »Ich hole dich natürlich ab. Mit dem ICE! Der ist rasend schnell und hat sogar einen Speisewagen.«

»Gibt’s da Hamburger?«, fragte ich.

Mama verzog den Mund. Sie wusste es nicht.

Sie malte mir noch Bilder von der neuen Wohnung. Die war in der Hoheluftchaussee. Na ja, so toll wie Rabenstraße klingt das natürlich nicht. Aber die Wohnung hat viele Zimmer und viel Platz. Aber gut fand ich das alles nicht, und vorstellen konnte ich es mir auch nicht. Ich merkte nur, wie mein Herz zusammenschrumpelte zu der Knetekugel. Es hing in meiner Brust und wollte einfach nicht mehr hüpfen und springen.

»Natürlich hast du in der Hoheluftchaussee auch ein schönes Zimmer«, sagte Mama.

Ich sagte nichts.

»Jetzt sag was, Wenzel«, bettelte Mama.

Aber es gab da nichts zu sagen. Mir fiel jedenfalls nichts ein, was ich dazu sagen könnte. Und ich verstand plötzlich Jorge viel besser. Manchmal gibt es eben nichts zu sagen, sondern nur was zu denken. Ich fand es blöd von den Hamburgern, dass sie Mamas Firma kauften. Ich fand es blöd von Mama, dass sie nach Hamburg ziehen wollte. Und ich wusste, dass ich eh nichts daran ändern konnte, schließlich war Mama ja schon so gut wie weg.

»Wann ziehst du denn um?«, fragte ich, um doch noch etwas zu sagen.

»Am Wochenende«, sagte Mama.

Ich schluckte. Das ging mir alles viel zu schnell. Da hatte ich ja kaum Zeit, mich von meinem alten Mama-Zimmer zu verabschieden.

Roxana hat schon recht. Manchmal haben Erwachsene echt einen an der Waffel. Das konnte ich sogar riechen. Es roch nach Waffeln. Das roch auch Mama. Papa hatte wohl das Waffeleisen im Keller gefunden, und das war ein kleines Wunder, bei dem ganzen Klumpatsch, den wir noch vom Umzug im Keller rumfliegen hatten.

»Willst du auch eine Waffel?«, fragte Mama.

Ich nickte. Papas Waffeln sind sensationell gut. Er hat ein Geheimrezept für den Teig, das er niemandem verrät. Also sind wir wieder rüber zu den anderen in die Küche gegangen. Die wussten auch schon Bescheid, weil Papa ihnen das mit den Hamburgern gesagt hatte. Normalerweise wäre ich da bestimmt sauer gewesen, weil Papa mir nicht schon vorher Bescheid gesagt hatte, aber in diesem Augenblick war ich so traurig, dass Mama nach Hamburg ziehen würde, da war kein Platz mehr für Wut in meinem Bauch.

»Aber Wenzel bleibt hier wohnen!«, trompetete Helma direkt los. »Den geben wir nicht mehr her!«

Und sogar Jorge hat den Mund aufgemacht und gemurmelt: »Den brauchen wir noch.«

Da war ich zwar immer noch traurig, aber es tat gut, dass Helma und Jorge da waren.



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