Wir Kinder des Krieges - Eine Generation erzählt ihre Geschichte by Andreas Kuba
Autor:Andreas Kuba [Kuba, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erinnerung, Kriegskindergeneration, Lebensgeschichten, Schweigen, Tabu
ISBN: 9783711051226
Herausgeber: Ecowin
veröffentlicht: 2015-08-20T16:00:00+00:00
HELMUT PACHOLIK
10
ENDZEIT
„SIEGEN ODER UNTERGEHEN!“
Helmut Godai hatte seinen Glauben an den Führer verloren. Als der 17-Jährige am 31. Dezember 1944 an der Marine-Nachrichtenschule in Flensburg die Silvesteransprache von Adolf Hitler hörte, wusste er längst, dass es jetzt nur noch darum ging, zu überleben: „Ich möchte am Ende dieses Jahres nun all den unzähligen Millionen meiner Volksgenossen als der Sprecher der Nation und in diesem Augenblick auch als der Führer ihres Schicksals aus übervollem Herzen danken für alles, was sie erlitten, geduldet, getan und geleistet haben, den Männern und den Frauen bis hinunter zu unseren Kindern in der HJ, in den Städten und Marktflecken, in den Dörfern und auf dem Lande. Ich möchte sie bitten, auch in Zukunft nicht zu erlahmen, sondern der Führung der Bewegung zu vertrauen und mit äußerstem Fanatismus diesen schweren Kampf für die Zukunft unseres Volkes durchzufechten.“
Während der Führer „aus seinem Hauptquartier zum deutschen Volk spricht“, sagte der Bursch aus Wien: „Geh’, schleich dich. Das glaubt doch keiner mehr.“ Als Hitler dann auch noch den Herrgott bemühte, schüttelten viele der Kindersoldaten den Kopf. „In dieser Stunde will ich daher als Sprecher Großdeutschlands gegenüber dem Allmächtigen das feierliche Gelöbnis ablegen, dass wir treu und unerschütterlich unsere Pflicht auch im neuen Jahr erfüllen werden, des felsenfesten Glaubens, dass die Stunde kommt, in der sich der Sieg endgültig dem zuneigen wird, der seiner am würdigsten ist, dem Großdeutschen Reiche.“ In diesem Moment wurde die Rede von einem Störsender überspielt. Eine Stimme sagte: „Das Jahr 1945 muss das Ende der Hitler-Tyrannei sein! Nieder mit Hitler und seiner Bande! Weg mit den Nazis!“ Die Schüler wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Und zogen sich zurück. Ein paar Wochen später wurde Helmut Godai mit seinen Kameraden nach Bergen nördlich von Celle gebracht. „Wir mussten unsere Marine-Uniform abgeben und haben stattdessen Grenadier-Uniformen bekommen.“ Die 17-Jährigen sollten die Kampfpanzer der Deutschen Wehrmacht mit Maschinengewehren begleiten und die feindliche Infanterie bekämpfen. „Wir wurden ganz rasch am MG ausgebildet, während rund um uns Bombenangriffe geflogen wurden.“ Helmut Godai konnte nicht verstehen, warum vom nahen Flugplatz kein einziges deutsches Jagdflugzeug abflog. „Ich habe mir gedacht, warum steigen die nicht endlich auf. Bis ich gemerkt habe, dass es gar keine Flieger mehr gibt.“
Bei einem Marsch aus der Kaserne sah der Wiener eine Gruppe Menschen, die er nicht zuordnen konnte. „Da waren rund 80 Figuren, die dahinschlichen, halb verhungert, in gestreifter Kleidung, von scharfen Hunden bewacht. Ich habe geglaubt, dass ein Gefängnis in der Nähe bombardiert worden war und die Insassen deshalb verlegt werden.“ Es waren KZ-Häftlinge, die auf „Evakuierungstransporten“ aus den frontnahen Vernichtungslagern in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht wurden. So waren in den letzten Wochen 7000 kranke und erschöpfte Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen hierher getrieben worden, 6000 Menschen sind von Außenlagern des KZ Buchenwald gekommen, andere aus dem Konzentrationslager Dora-Mittelbau und den Nebenlagern der KZ Natzweiler und Flossenbürg. Waren zur Silvesteransprache 18 465 Menschen im Lager interniert, so waren es Anfang März mehr als 40 000. In diesem Monat starben, gleich neben der Kaserne von Helmut Godai, 18 168 Menschen.
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