Wintermaerchen by Helprin Mark

Wintermaerchen by Helprin Mark

Autor:Helprin, Mark [Helprin, Mark]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3442481112
Herausgeber: Goldmann Taschenbuch
veröffentlicht: 2014-02-16T23:00:00+00:00


III

Die »Sun« …

und der »Ghost«

Nichts ist Zufall

Nichts ist Zufall oder wird es jemals sein – nicht eine lange Folge makellos blauer Tage, die in goldener Dämmerung beginnen und enden; nicht die scheinbar chaotischsten politischen Aktionen; nicht der Aufstieg einer großen Stadt; nicht die kristalline Struktur eines Edelsteins, der noch nie im Licht erstrahlte; nicht die Verteilung der Reichtümer dieser Welt; nicht die Stunde, zu der sich der Milchmann aus seinem Bett erhebt; nicht die Position des Elektrons; und auch nicht die ununterbrochene Folge mehrerer erstaunlich kalter Winter. Ja, sogar Elektronen, diese Paradebeispiele angeblicher Willkür, sind in Wahrheit zahme und berechenbare Wesen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit auf vorbestimmten Bahnen bewegen. Dabei erzeugen sie leise Pfeiftöne, die in ihren sich stetig wandelnden Kombinationen ebenso angenehm klingen wie das sanfte Rauschen des Windes im Wald. Auch sie befolgen genau, was ihnen aufgetragen wurde – so viel ist gewiss.

Und dennoch – in allem herrscht eine wunderbare Anarchie: Der Milchmann entscheidet selbst, wann er aufsteht; die Ratte taucht in ein Versteck ihrer Wahl, wenn die Untergrundbahn über den Schienenstrang auf sie zugedonnert kommt; und die Schneeflocke fällt, wie sie mag. Aber wie passt dies alles zusammen? Wenn nichts dem Zufall überlassen bleibt und alles vorherbestimmt ist – wie kann es dann einen freien Willen geben?

Die Antwort ist einfach: Nichts ist vorherbestimmt! Alles ist bestimmt, war bestimmt und wird bestimmt sein. Denn alles ereignete sich zur selben Zeit, das heißt, die Zeit selbst wurde nur erfunden, weil wir das riesige und so vielfältige Bild, das da vor uns entrollt worden ist, nicht mit einem einzigen Blick zu umfassen vermögen. Deswegen tasten wir uns linear von einem Punkt zum anderen.

Die Zeit kann jedoch mit Leichtigkeit überwunden werden. Allerdings hilft es nichts, dem Licht hinterherzueilen, sondern es gilt zurückzutreten und das Ganze zu überblicken. Das Universum ist still und vollkommen. Alles, das je war, ist. Alles, das sein wird, ist – und so geht es weiter in allen erdenklichen Verbindungen. Unsere Wahrnehmung sagt uns, dass sich die Welt bewegt und dass sie unvollendet ist, aber in Wirklichkeit ist sie nicht nur vollendet, sondern auch von erstaunlicher Schönheit. Letztlich sind alle Dinge und Geschehnisse, so klein und so unbedeutend sie auch sein mögen, miteinander verknüpft. Alle Flüsse streben dem Meer entgegen, Getrenntes wird irgendwann vereint, Verlorene werden erlöst. Tote erwachen zu neuem Leben, und die makellos blauen Tage, die in goldener Dämmerung beginnen und enden, erstarren zu immerwährender Gegenwärtigkeit. Sobald die Frage nach der Zeit durch eine solche Sichtweise gegenstandslos geworden ist, offenbart sich Gerechtigkeit nicht mehr als etwas Künftiges, sondern als unmittelbare Präsenz.



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