Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) by Jennifer McMahon

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) by Jennifer McMahon

Autor:Jennifer McMahon [McMahon, Jennifer]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2014-03-09T23:00:00+00:00


1908

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Das geheime Tagebuch der Sara Harrison Shea

25. Januar 1908

Gertie hat den Wandschrank immer so geliebt. Wie hat sie es genossen, sich darin zu verstecken, um dann plötzlich herauszuspringen und mir einen Schrecken einzujagen! Einmal fand ich sie im hintersten Winkel, wo sie sich auf einem Berg Flickwäsche und löchriger Pullover zusammengerollt hatte und schlief.

»Was tust du denn da drinnen, Liebes?«, fragte ich sie.

»Ich bin ein Bär in einer warmen Höhle«, antwortete sie, »und mache einen kleinen Winterschlaf.«

»Gertie?«, rief ich heute Morgen. »Bist du da drin?«

Ich stand vor dem Wandschrank und klopfte leise gegen die Tür.

Ich war noch im Nachthemd, meine nackten Füße froren auf dem glatten Holzboden. Die Sonne war eben über dem Hügel aufgegangen und ließ das Schlafzimmer in sanftem Licht erstrahlen. Ich erhaschte einen Blick auf mich selbst im Spiegel über der Kommode. Ich sah aus wie eine Wahnsinnige: bleich, dünn, mit dunklen Schatten unter den Augen, die Haare verfilzt, das Nachthemd zerrissen und voller Flecken.

Ich wartete mit angehaltenem Atem.

Und Gertie antwortete auf mein Klopfen!

Ich griff nach dem Türknauf, drehte ihn und zog an der Tür, doch Gertie hielt sie von innen zu. Ihre Kraft überraschte mich.

»Willst du nicht bitte herauskommen, damit ich dich anschauen kann?«

Die Tür bewegte sich nicht. Ich hörte lediglich ein leises Geraschel aus dem Schrank.

»Es ist gut. Papa ist nicht hier. Er ist auf den Hügel gegangen, um zu jagen.«

Ich wusste, dass sie nicht herauskommen würde, solange Martin in der Nähe war. Vergangene Nacht hatte ich, wohl wissend, dass Gertie im Schrank saß, Martins Anweisungen Folge geleistet und war ins Bett zurückgekehrt. Doch schlafen konnte ich nicht. Ich lag auf der Seite, mit Blick zum Schrank. Ich sah, wie die Tür ein kleines Stückchen aufging, und dann blitzte ein Auge durch den Spalt. Ich winkte ihr im Dunkeln zu.

Hallo, wollte ich mit meinem Winken sagen. Hallo, hallo! Willkommen daheim, mein Schatz, mein liebes, süßes Mädchen!

Martin war in aller Frühe aufgestanden und hatte sich angezogen.

»Es ist noch nicht einmal hell«, sagte ich, als ich ihn sah.

»Ich will diesen Bock finden. Seine Spuren sind überall im Wald. Wenn ich ihn erwische, haben wir für den Rest des Winters Fleisch. Ich erledige die Arbeiten in Haus und Scheune, dann gehe ich in den Wald, und danach habe ich noch einige Dinge in der Stadt zu besorgen. Zum Abendessen bin ich wieder zurück.«

»Möchtest du Frühstück?«, fragte ich und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen. Ich dachte, es würde sein Wohlwollen erregen, wenn er sah, dass ich aufstand und ihm anbot, für ihn zu kochen.

Er schüttelte den Kopf. »Ich packe mir einige Scheiben Brot und Salzfleisch ein.« Er humpelte nach unten, machte dort Feuer, ließ den Hund hinaus, nahm etwas Proviant und sein Gewehr. Endlich öffnete sich die Haustür und fiel kurz darauf wieder ins Schloss.

Ich sah aus dem Fenster, als er den Hof überquerte. Kaum war er außer Sichtweite, lief ich zum Schrank.

Wie froh war mir ums Herz, als ich die Gewissheit hatte, es nicht geträumt zu haben!

Abermals zog ich an der Tür, doch Gertie hielt sie noch immer von innen fest.



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