Winklers Traum vom Wasser by Doerr Anthony

Winklers Traum vom Wasser by Doerr Anthony

Autor:Doerr, Anthony [Anthony, Doerr]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-14T05:00:00+00:00


3

Die Gebäude kamen ihm kleiner vor, die Gehsteige voller, der Verkehr hektischer, die Parkuhren teurer. Für ihn war es ungewohnt, Sicherheitsgurte in Autos zu sehen, Schlösser an Türen, Fliegengaze vor den Fenstern, Decken auf den Betten. Der Geruch der Wasserfälle, die Weinreben an den Gartenpavillons oder die langsamen Drehungen der wie Zuckerstangen gestreiften Säulen vor den Friseurläden – all das schien kleiner, weniger beeindruckend, als er es in Erinnerung hatte. Andere Veränderungen waren offensichtlicher: Im Chagrin Department Store befand sich jetzt eine Filiale von Gap, und an die Stelle von Goodtown Printers war ein Starbucks-Café getreten. Alle Klischees schienen sich zu bestätigen. Du kannst nicht mehr nach Hause. Es ist, als wäre es gestern gewesen.

Gegen Mittag war er in der Chagrin Falls Library und zog ohne großen Erfolg Mikrofiches des Plain Dealers aus dem Jahre 1977 durch den Bildschirm. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin zeigte ihm einen Schreibtisch, an dem ein Mann mit Pferdeschwanz gebannt vor einem Computer saß. »Er kann Ihnen helfen«, sagte sie. »Gene kennt die Archive wie kein anderer.«

Gene saß im Rollstuhl, ein fülliger Oberkörper über verstörend reglosen Beinen. Er hielt einen Finger hoch, tippte etwas in seine Tastatur, dann schaute er auf und verschränkte die Hände über dem Bauch.

»Ich versuche jemanden zu finden«, sagte Winkler. »Zwei Menschen. Meine Tochter. Ihr Name ist Grace. Grace Winkler. Und meine Frau Sandy. Sie haben vor langer Zeit hier gelebt. Möglicherweise sind sie jetzt in Alaska.«

Gene zog die Winkel seiner Unterlippe nach unten und holte tief Luft. »Ich komme an Adressen aus den nationalen Telefonbüchern heran und an Reference USA. Vielleicht auch noch an Grundbücher. Das ist so ziemlich alles. Wenn Sie mehr wollen, brauchen Sie wohl einen Privatdetektiv. Das kann teuer werden. Verstecken die beiden sich?«

»Verstecken? Ich weiß nicht.«

»Wissen Sie ihre Sozialversicherungsnummern?«

»Nicht auswendig.«

Langsam breitete sich ein schwarzer Fleck vor seinem Gesichtsfeld aus. Er lehnte sich an Genes Schreibtisch. »Ich habe Geld«, sagte er. Er legte eine Hundert-Dollar-Note auf die Tastatur. Dann noch eine. Gene schaute sich die Geldscheine einen Moment lang an, dann ließ er sie in einer Seitentasche seines Rollstuhls verschwinden. »Okay«, sagte er. »Sandy mit y?«

Winkler zog sich einen Stuhl von einem Nachbartisch heran und setzte sich. PCs hatte er bisher nur im Hinterzimmer der Inselkirche und in der Shell-Tankstelle gesehen, aber dieses Gerät war größer und schnörkelloser und sein Summen leiser und voller Energie. Gene bediente es mit irritierender Schnelligkeit und ließ ein ganzes Stroboskop von Websites auf dem Bildschirm aufblitzen; er verfolgte eine Spur, verwarf sie wieder, begann mit der nächsten. Winkler konnte nicht besonders viel mit dem anfangen, was er sah; einmal erkannte er das Logo von Switchboard.com, dann das einer Firma namens U.S. Search. Gene atmete langsam durch die Nase; gelegentlich entfesselten seine Finger einen wahren Trommelwirbel auf der Tastatur.

»Nichts da«, sagte er, »nicht in Cleveland … Ich kann es noch mit dem Alter versuchen … Ist sie verheiratet?«

»Verheiratet?«

»Das Mädchen. Grace. Ist sie verheiratet?«

»Ich weiß es nicht.«

Gene wandte die Augen einen Moment lang vom Bildschirm ab und schaute zu Winkler und dann wieder zurück. »Ist schon gut, Paps.



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