Wilder Wurm entlaufen by Veronica Cossanteli

Wilder Wurm entlaufen by Veronica Cossanteli

Autor:Veronica Cossanteli
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg
veröffentlicht: 2013-11-12T05:00:00+00:00


Am nächsten Morgen, als Miss Thripps die Anwesenheitsliste zuknallte, kam Prudence in die Klasse gehinkt. Sie trug keine Schuluniform, ihr Haar war total zerzaust und verdreckt, und von ihrem einen Knie sickerte Blut in ihre Socke hinunter.

»Prudence Pye, du kommst zu spät. Und wie siehst du überhaupt aus? Hast du in einer Hecke übernachtet, oder was? Wo ist deine Schuluniform? Und wo ist deine Entschuldigung für die letzten drei Tage?«

Prudence tat so, als ob sie in ihren Taschen nach der Entschuldigung wühlte. Ich wusste, dass sie keine dabeihatte.

Miss Thripps verdrehte die Augen und schickte sie an ihren Platz.

Ich spürte, dass Prudence mich anstarrte und verzweifelt meinen Blick aufzufangen versuchte. Aber ich hielt stur den Kopf über meine Zeichnung vom Wurm von Squermington gesenkt.

Ungefähr nach der Hälfte der Stunde – wir hatten Lesen und Rechtschreiben – schmuggelte sie mir eine Nachricht zu:

Diamond weiß Bescheid.

Miss Thripps wandte uns den Rücken zu und schrieb etwas an die Tafel. Ich ließ den Zettel zu Prudence zurückgehen.

Ja, klar. Weil du es ihr gesagt hast.

»Hab ich nicht!«, stieß Prudence hervor.

Miss Thripps wirbelte herum.

»Wer war das?«

Alle schauten Prudence an.

»Prudence Pye, warst du das?«

»Echt nicht! Ich war’s nicht«, sagte Prudence. Aber sie redete mit mir, nicht mit Miss Thripps.

Miss Thripps kniff ihren Mund zu einem dünnen Strich zusammen. »Ich schreibe jetzt deinen Namen an die Tafel, Prudence. Zweimal. Einmal, weil du im Unterricht geredet hast, und einmal fürs Lügen.«

Zur Strafe musste Prudence in der Pause im Klassenzimmer bleiben und alle Bleifstifte anspitzen. Ich war froh darüber, weil sie mir dann wenigstens nicht in die Pause nachkommen und mich blöd anquatschen konnte.

Als die Pause zu Ende war, musste ich aufs Klo. Es hatte schon geläutet und ich würde zu spät in den Unterricht kommen, aber was sollte ich machen? Es war dringend. Ich stürzte in eine Kabine, schloss mich ein und beeilte mich, so gut ich konnte, als plötzlich jemand vor der Tür draußen sagte: »George, ich weiß, dass du da drin bist.«

»Was machst du denn hier? Das ist ein Jungenklo!«, zischte ich. »Geh sofort raus! Du darfst hier nicht rein!«

»Erst musst du mir zuhören«, verlangte Prudence. »Es war die einzige Möglichkeit, an dich heranzukommen. Und keine Tricks, ja? Du kommst hier nicht vorbei. Ich lehne an der Tür und ich bin schwerer als du. George, ich hab nichts über die Wormestall Farm verraten, ehrlich – ich schwör’s. Die haben den Zahn gefunden. Und dann haben sie mich ausgefragt und mein Schlafzimmer durchsucht, und dort haben sie … andere Sachen gefunden.«

»Was für Sachen?«

»Das hier«, sagte Prudence kleinlaut.

Sie schob eine Papierkugel unter der Tür durch. Ich strich das zerknüllte Papier glatt und das Herz sackte mir in die Hose.

Prudence kann viel besser zeichnen als ich. Bei mir sieht man nicht immer, was es sein soll. Aber ihre Zeichnungen waren total lebensecht. Zu lebensecht. Grissel, Big Nigel, der Krake in der Kloschüssel, Mingus auf Mrs Linds Obsthut, Dido auf ihrer Eiersammlung – alles war da, die ganze Menagerie, so klar wie der Tag.

»Aber die können doch nicht glauben, dass die echt sind, oder? Diamond hat gesagt, du denkst dir Geschichten aus.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.