Wild Cards 07 - Nur Tote kennen Jokertown by George R.R. Martin

Autor:George R.R. Martin [Martin, George R.R.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-02T04:00:00+00:00

XIII

In dieser Nacht starben über fünfzig Menschen im Rand. Weitere hundert erlitten schwere Verletzungen. Das Gemetzel war in jener Nacht jedoch nicht die Top-Meldung und auch nicht die größte Schlagzeile auf den Titelseiten der meisten Zeitungen im Lande. Schließlich dauerte der Bandenkrieg bereits einige Zeit an, und die Tatsache, daß Dutzende Unschuldiger ins Kreuzfeuer geraten waren, war bedauerlich, aber eigentlich nicht von größerer Bedeutung, soweit es die Entwicklung der Nachrichten von Tag zu Tag betraf.

Zwischen New York und Los Angeles liegt ein weites Land. Es wird als das amerikanische Kernland bezeichnet, und für die Leute, die dort leben, war die Nachricht des Tages diejenige, daß Reverend Leo Barnett seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bekanntgegeben hatte. Er hatte seine Hände auf die Umrisse eines armen Jokers gelegt und ihn von einem unfreiwilligen Ausflug in unbekannte Gefilde zurückgebracht. Er hatte etwas vollbracht, was noch nie zuvor jemand vollbracht hatte – nur mit der Kraft des Glaubens hatte er einen Joker geheilt. Er hatte bewiesen, daß die größte Macht auf Erden die Liebe zu Gott und zu Jesus Christus war, und er hatte einen Teil dieser Liebe in den Leib einer Kreatur fließen lassen, der von jenem obszönen außerirdischen Virus vergiftet war. Selbst der liberale Nachrichtensender, der das Ereignis für die ganze Welt gefilmt hatte, mußte zugeben, daß Reverend Leo Barnett etwas ganz Erstaunliches vollbracht hatte. Vielleicht qualifizierte ihn das nicht, Präsident zu sein, aber es machte ihn mit Sicherheit zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die es zu beobachten galt.

Es half, daß unmittelbar nach der Heilung und nachdem die Sanitäter den Joker auf einer Bahre abtransportiert hatten, Reverend Leo Barnett nicht Rücksprache mit seinen Beratern hielt oder abwartete, wie der Vorfall in den Medien behandelt wurde oder bei der Öffentlichkeit ankam, sondern einfach vor die Kameras und Mikrofone trat und bekanntgab, Gott hätte gesagt, die Zeit sei nun für ihn gekommen, seine Kandidatur zu verkünden. Er demonstrierte eindeutig und kraftvoll, daß er eine Entscheidung treffen und danach handeln konnte.

Reverend Leo Barnetts Ergebnisse bei den Umfragen verbesserten sich praktisch sofort und wurden sehr respektabel. Natürlich waren einige der Wähler ein wenig beunruhigt und fragten sich, was er überhaupt im Rand getan hatte, insbesondere im Hinblick auf jenes Hotelzimmer, das er und die junge Missionsarbeiterin gemietet hatten, aber schließlich waren beide nicht verheiratet. Und es gab Gerüchte über eine bevorstehende Verlobung, die niemand bestätigen noch dementieren wollte. Die Frauen innerhalb der Demokratischen Partei waren, wie sich herausstellte, besonders beeindruckt, daß Reverend Leo Barnett möglicherweise seine wahre Liebe und seine politische Bestimmung in ein und derselben Nacht gefunden hatte. Wenn das stimmte, war das Gemetzel vielleicht nicht umsonst gewesen.

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