Wiesenpieper by Wolfgang Held

Wiesenpieper by Wolfgang Held

Autor:Wolfgang Held [Held, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: EDITION digital
veröffentlicht: 2015-04-30T16:00:00+00:00


Es fügte sich sehr günstig, dass Felix Ritter gerade wieder in der Unterkunft der zweiten Kompanie eintraf, als der UvD sein »Heraustreten zum Frühsport!« schmetterte. Nur dem Stubenältesten fiel auf, dass der Bruselfelder schon angekleidet war, aber der Sachse stellte keine Fragen. Mit leerem Magen war er noch nie sonderlich gesprächig gewesen.

Während Felix Ritter gleich darauf zwischen Hanner Kanzler und Siegbert Holm das mäßige Tempo des morgendlichen Laufes mithielt, beschäftigte ihn noch eine zweite Erfahrung aus der vergangenen Stunde.

Es war dort im Aquarienkeller so ähnlich wie im Kirchturm, als ich meine alten Jeans von der Wetterfahne geholt habe, überlegte er. Damals wie heute ist mir gar nicht erst der Gedanke gekommen, dass ich ein Pechvogel bin, der mit jedem Hammerschlag sowieso nur den eigenen Daumen oder jemanden trifft, der sofort Ohrfeigen verteilt. Im Kirchturm und im Keller wusste ich genau, was ich wollte, und habe dafür alles getan, was ich konnte, trotz schlotternder Knie und Kloß in der Kehle. Pfarrer Brösel und Klariklaro haben mir beide das gleiche Wort vorgehalten, als sei es ein Wegweiser. Was ich in unsrem morschen Kirchturm geschafft habe und vorhin mit der Riesenschlange, das muss tatsächlich damit zutun haben ... Selbstvertrauen! Wenn ich's mir nur merken würde, verflixt noch mal!

Die Hälfte des folgenden Vormittags blieb ohne besondere Ereignisse. Außer Felix Ritter wusste in der Kompanie noch niemand davon, dass die Riesenschlange wieder eingefangen war. Er selbst verlor kein Wörtchen darüber. Das änderte sich auch nicht, als dem Stubenältesten doch noch die Frage in den Sinn kam, die er am frühen Morgen nicht ausgesprochen hatte.

»Weshalb biste denn heute so zeitig ausm Gahn gehubbt, horche mal? Haste was mit 'm Darm?«, forschte der Sachse in der zweiten Unterrichtspause, gab sich dann aber damit zufrieden, dass auch ein Bewohner der Stube 4 einmal vor dem Wecksignal ausgeschlafen haben kann, obwohl dies nach sächsischem Empfinden einem Wunder der Güteklasse 1 gleichkam.

Nach der zweiten Pause stand dann für den dritten Zug Nahkampfausbildung auf dem Dienstplan. Trainiert werden sollten Bewegungen zur Abwehr von Angriffen mit einem Messer, mit einem Feldspaten oder mit dem Kolben einer MPi. Als Übungsplatz war das Wiesenstück hinter dem Unterkunftsgebäude vorgesehen. Zur Aufwärmung der Muskeln ließ Leutnant Weißbach die Soldaten zuvor im Laufschritt dreimal das Haus umkreisen, dann übernahmen die Gruppenführer das Kommando.

Unteroffizier Jungmann erklärte seinen Unterstellten gerade, dass alle Griffe und Bewegungen zur Abwehr eines Angriffes erst erfolgreich genannt werden können, wenn der Gegner damit auch außer Gefecht gesetzt wurde, als der UvD auftauchte und dem Zugführer eine Meldung überbrachte.

»Soldat Ritter zu mir!«, rief Leutnant Weißbach gleich darauf.

Felix Ritter trat vorschriftsmäßig an den Offizier heran und nahm entsprechend der militärischen Ordnung die straffe Grundstellung ein: Reglose, gerade Haltung, Hacken fest aneinander, die großen Zehen eine Fußbreite auseinandergestellt, Knie durchgedrückt, Oberkörper aufgerichtet, Arme leicht angewinkelt, Ellenbogen nach vorn gedrückt, Hände zur Faust geballt und mit dem Mittelfinger an die Hosennaht gepresst, die Daumen liegen an den Zeigefingern, Kopf erhoben, Kinn ein wenig angezogen - jeder Muskel hart wie Stein!

»Genosse Leutnant! Soldat Ritter meldet sich wie befohlen zur Stelle!« Auch jedes Wort erfüllte haargenau die streng festgelegte Regel.



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