Wie im Wald (German Edition) by Elisabeth Klar
Autor:Elisabeth Klar [Klar, Elisabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Residenz Verlag
veröffentlicht: 2015-03-06T16:00:00+00:00
Das Geräusch, wenn der Fuß in den hart gewordenen Schnee bricht. Zuerst glaubst du, er wird dich tragen, einen Moment hält er dich, und es ist, als wärst du leicht: Du wirst keine Spur hinterlassen. Dann knackt es und du bist eingebrochen. Ich mag dieses Geräusch, das Knacken, das Knautschen, das Essen von Äpfeln. Wir gehen durch den Wald, Margarethe und ich. Der Schnee brennt auf der Haut, wenn ich mich an den Baumstämmen und Ästen festhalten muss, ich habe meine Handschuhe vergessen, wir hinterlassen dunkle Spuren. Zwischen Nacken und Mantelkragen ist er gefallen, der Schnee, er rinnt mir den Rücken hinunter. Sogar im Winter, weiß ich, haben Lisa und ich uns Höhlen gegraben. Wenn es genug Schnee gegeben hat jedenfalls. Die Wände aus Eis haben wir solange geklopft und gestrichen, bis sie ganz glatt waren. »Jetzt kommt die Polarnacht«, hat Lisa dann gesagt, als die Sonne untergegangen ist. Ich habe mir vorgestellt, dass die Sonne für Monate nicht mehr aufgehen würde. All die Zeit ist es finster, kuscheln wir uns aneinander, gehen wir jagen, müssen wir Feuer machen, müssen wir Fell gerben. Die Polarnacht hat aber nur ein paar Stunden gedauert, von der Dämmerung bis zu Inges Rufen, dass es Abendessen gibt. Margarethe geht vor mir, sie ist in diesem Wald eine Erwachsene, die sich an Kindheitstage erinnert.
Daran vielleicht, wie wir gerauft haben und sie mein Gesicht in den Schnee gedrückt hat. Manchmal haben wir so etwas auch alle gemeinsam gemacht, Margarethe, Peter und ich, als wir drei noch sehr jung waren. Aber die beiden sind schnell gewachsen und haben sich nicht mehr für meine Spiele interessiert. Du musst an deine Schularbeiten denken, Karin. Du musst an deine Mutter denken, du musst für sie da sein. Jemand muss sie stützen, sonst klappt sie noch zusammen und fällt. Sie selbst haben sich aus der Affäre gezogen. Zuerst ist Peter nach Salzburg gegangen, dann Grete nach London.
Ich habe Grete gebeten, mich mitzunehmen, und sie hat mich stattdessen in den Arm genommen, »Pscht«, hat sie gesagt, »du weißt doch, dass das nicht geht. Aber zu Weihnachten sehen wir uns und dazwischen bleiben uns Telefonate.« Und seitdem gibt es sie eben, diese abgeschnittenen Zeiten. Ich bin in Gretes Zimmer umgezogen, weil es das größte war, Inge hat sich nie die Mühe gemacht, die restlichen Zimmer einem neuen Zweck zu widmen. Es steht doch alles an seinem Platz und wer weiß, wann die Kinder die Zimmer wieder brauchen. Hätte man mir damals und auch davor schon gesagt, dass ich mich hier wieder niederlassen würde, als Erwachsene, für immer.
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