Wie du mir by Margaret Millar

Wie du mir by Margaret Millar

Autor:Margaret Millar [Millar, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783257607482
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


{119}13

Um fünf traf Miss Schiller erste Vorbereitungen für den Feierabend. Seit der Mittagspause, als sie in der Zeitung von Violets Tod gelesen hatte, beglückte sie alle Patienten mit diesem Thema, wobei sie hin und wieder die Wahrheit ein wenig ausschmückte. ›Da stand sie in der Tür und sah so lebendig aus, wenn Sie wissen, was ich meine … Und trotzdem wußte ich, sah ich es ihr an, daß irgendwas nicht stimmte …‹ ›Ein Schandfleck für diese Stadt, aber zum Glück war sie ja nicht von hier. Sie stammt aus einer Kleinstadt in Oregon, steht in der Zeitung.‹

Ein ergiebiger, erfüllter, hochbefriedigender Nachmittag, nur hin und wieder getrübt durch Charlottes mißbilligenden Blick und die Tatsache, daß manche Patienten, selbstsüchtig wie sie waren, lieber von ihren Symptomen redeten.

Miss Schiller kämmte sich und stülpte das Haarnetz wieder über, so daß man denken konnte, sie habe keine Haare auf dem Kopf, sondern eine puschelige graue Mütze, unter der sie eine spiegelnde Glatze verbarg.

Die Zeitung, die sie in der Mittagspause gelesen hatte, lag auf ihrem Schreibtisch, sie war so gefaltet, daß Miss Schiller jederzeit, wenn sie merkte, daß ihre Erregung sich zu legen drohte, einen Blick auf Violets Photo werfen konnte. Mrs. Violet O’Gorman aus Ashley, Oregon, deren Leiche heute {120}früh an der West Beach gefunden wurde. Vermutlich handelt es sich um einen Selbstmord …

Miss Schiller hatte sich gerade noch einmal in den Artikel vertieft, atemlos gefesselt, als läse sie etwas über ihre eigene Person, als Charlotte in Straßenkleidung, die Arzttasche in der Hand, aus dem Sprechzimmer kam.

Miss Schiller drehte schleunigst das Blatt um und fragte diensteifrig: »Ja, Dr. Keating?«

»Wieviele Hausbesuche habe ich?«

»Nur drei. Hier, bitte.«

»O Gott.« Charlotte lehnte sich einen Moment an den Schreibtisch und schloß die Augen. Die Vorstellung, auch nur drei Hausbesuche machen zu müssen, hatte etwas Erschreckendes.

»Es geht mich ja nichts an, Frau Doktor, aber ich muß sagen, daß Sie seit ein paar Tagen gar nicht gut aussehen.«

»Nein?«

»Elend sehen Sie aus, richtig elend.«

»Besten Dank.«

»Erst neulich hab ich gelesen, daß Ärzte früher sterben als die Leute in allen anderen Berufen. Ich könnte Ihnen meinen neuen Kräutertrank … wirklich sehr belebend …«

»Vermutlich besteht das Zeug hauptsächlich aus Alkohol. Kein Wunder, daß es Sie aufmöbelt.«

»Alkohol?« Miss Schiller erbleichte. »O nein! Das wäre ja geradezu – «

»Keine Bange, sterben werden Sie schon nicht daran«, sagte Charlotte.

»Aber ich trinke nicht! Ich habe mit Alkohol nichts im Sinn!«

»Vielleicht bekehrt der Trank Sie dazu.«

Das Telefon läutete, aber Miss Schiller war zu verstört, {121}um abzuheben. In ihrer Vorstellung war sie bereits Alkoholikerin, verdammt zu einem Säufergrab, und das ganz ohne eigene Schuld. In dieser Minute floß das sündige Zeug durch ihre Adern, unterminierte ihren Willen, zerstörte ihren Charakter. Das mit dem unterminierten Willen, hatte man ihr erklärt, als sie feierlich dem Alkohol abgeschworen hatte, merkt man immer erst, wenn es zu spät ist. O Gott. Ihr war ganz schwindlig.

»Charley? Hier Bill Blake.«

»Hallo, Bill.«

»Ich muß Anfang nächster Woche ein paar Tage verreisen. Wenn es dir recht ist, tauschen wir mal wieder.«

»Ja, gern.«

»Wenn bei dir nichts Kritisches anliegt, könnte ich für den



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