Wie Demokratien sterben: Und was wir dagegen tun können (German Edition) by Steven Levitsky & Daniel Ziblatt
Autor:Steven Levitsky & Daniel Ziblatt [Levitsky, Steven]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2018-05-28T22:00:00+00:00
TRUMP GEGEN DIE LEITPLANKEN
Donald Trump folgte in seinem ersten Amtsjahr als amerikanischer Präsident einem bekannten Drehbuch. Wie Alberto Fujimori, Hugo Chávez und Recep Tayyip Erdoğan begann Amerikas neuer Präsident seine Amtszeit mit scharfen rhetorischen Angriffen auf seine Gegner. Er beschimpfte Medien als »Feinde des amerikanischen Volks«, stellte die Legitimität von Richtern in Frage und drohte, Großstädten weniger Bundesmittel zukommen zu lassen. Wie kaum anders zu erwarten, lösten diese Attacken im gesamten politischen Spektrum Bestürzung, Empörung und Wut aus. Im Kampf um Demokratie und Meinungsfreiheit standen plötzlich Journalisten an vorderster Front, indem sie das normverletzende Verhalten des Präsidenten enthüllten – allerdings auch provozierten. Laut einer Studie des Shorenstein Center on Media, Politics, and Public Policy war die Berichterstattung der großen Nachrichtenmedien über die ersten hundert Tage der Regierung Trump »schonungslos«. Beiträge mit klarer Stellungnahme waren zu 80 Prozent negativ – also zu einem deutlich größeren Anteil als bei Clinton (60 Prozent), George W. Bush (57 Prozent) und Obama (41 Prozent). 1
Regierungsvertreter fühlten sich bald regelrecht im Kriegszustand. 2 Es verging keine Woche, in der die Presseberichterstattung nicht zu mindestens 70 Prozent negativ war. 3 Während Gerüchte über Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam nach Russland die Runde machten, wurde unter großer Medienaufmerksamkeit ein Sonderermittler eingesetzt, Robert Mueller, der die Untersuchung leiten sollte. Nur wenige Wochen nach Trumps Amtsantritt war von einer Amtsenthebung die Rede.
Doch Trump behielt die Unterstützung seiner Basis, und wie andere gewählte Demagogen erhöhte er den Einsatz, indem er behauptete, seine Regierung werde von mächtigen Kräften des Establishments bedrängt. Vor Absolventen der Akademie der US-Küstenwache erklärte er: »[K]ein Präsident in der Geschichte, da bin ich mir völlig sicher, ist schlechter und ungerechter behandelt worden.« 4 Was würde Trump tun? Würde er, der als Außenseiter ins Präsidentenamt gekommen war und der sich nun vermeintlich ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt sah, um sich schlagen, wie es Fujimori in Peru und Erdoğan in der Türkei getan hatten?
Präsident Trump bewies in seinem ersten Amtsjahr eindeutig autoritäre Neigungen. Im vierten Kapitel haben wir drei Strategien vorgestellt, mit denen gewählte autoritäre Herrscher ihre Macht zu stärken versuchen: die Schiedsrichter gleichschalten, Schlüsselspieler neutralisieren und die Spielregeln neu schreiben, um das Spiel zuungunsten der Gegner zu verändern. Trump hat alle drei Strategien versucht.
Gegenüber den Schiedsrichtern – Gesetzeshütern, Nachrichtendiensten, Ethikkommissionen und Gerichten – legte Präsident Trump eine erstaunliche Feindseligkeit an den Tag. Bald nach seiner Amtseinführung versuchte er sicherzustellen, dass die Chefs der Bundespolizei FBI und der Nachrichtendienste, zuvörderst der CIA und der National Security Agency, ihm persönlich ergeben waren. Offenbar hoffte er, diese Behörden benutzen zu können, um sich von Ermittlungen über die Russlandverbindungen seines Wahlkampfteams abzuschirmen. In der ersten Woche nach seinem Amtsantritt lud Trump FBI-Direktor James Comey zu einem Abendessen unter vier Augen ins Weiße Haus ein und forderte ihn, laut Comey, zu einem Treuebekenntnis auf. Später soll er Comey gedrängt haben, Ermittlungen gegen den kurz zuvor aus dem Amt geschiedenen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenzulassen, während er vom Chef der National Intelligence Agency Daniel Coats und von CIA-Direktor Mike Pompeo verlangte, sich in Comeys Ermittlungen einzumischen. Zudem soll
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