Wetten auf Europa by Soros George; Schmitz Gregor Peter

Wetten auf Europa by Soros George; Schmitz Gregor Peter

Autor:Soros, George; Schmitz, Gregor Peter
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2014-01-12T16:00:00+00:00


KAPITEL 3

»Als die Politik ihre Macht

über die Märkte verlor«

Die Rolle der Spekulanten

Das Wall Street Journal hatte die Geschichte, die alles zu erklären schien. Das Wirtschaftsmagazin berichtete in seiner Ausgabe vom 8. Februar 2010 von einem »idea dinner«, an dem Wall-Street-Banker, Finanzmakler und Hedgefonds-Investoren teilgenommen hatten. Eingeladen hatte die Investmentbank Monness, Crespi, Hardt & Co. Die Finanzgrößen trafen sich in einem Stadthaus mitten in Manhattan, der Speiseplan sah Hühnchen und Filet Mignon vor. Auf der Tagesordnung unter anderem: der Euro. Und die Aussicht, dass dieser schon bald von einem Kurs von beinahe 1,40 Dollar auf einen Gleichstand mit der amerikanischen Währung fallen könne. Was genau bei dem »idea dinner« diskutiert wurde, ist bis heute nicht geklärt. Kaum aber war das Dinner vorbei, begannen an den Finanzmärkten die Wetten gegen den Euro, 60 000 »future contracts« wurden gegen die Währung abgeschlossen, so viele wie seit 1999 nicht mehr, rechnete das Wall Street Journal vor. Nur drei Tage nach dem Dinner sank der Kurs des Euro auf einen Wert von unter 1,36 Dollar.

Die Abwertung des Euro war langfristig jedoch nicht erfolgreich. Die Geschichte passte trotzdem bestens in ein gängiges Argumentationsmuster seit Ausbruch der Euro-Krise: dass nämlich diese vor allem auf den Einfluss internationaler Spekulanten zurückzuführen sei, nicht auf politische Versäumnisse oder strukturelle Defizite der Währungsunion. Vor allem europäische Politiker haben diese These forciert. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte früh nach Ausbruch der Euro-Krise, dass der Euro und die europäischen Staatsschulden nun das Objekt der Spekulation von Institutionen seien, die nur anderthalb Jahre zuvor mit Staatshilfe hätten gerettet werden müssen. Der schwedische Finanzminister Anders Borg verglich die Investoren gar mit einem »Pack Wölfe«.

Dass es im Vorfeld der Euro-Krise exzessive Spekulationen gab, ist unbestritten. »Jedem unverantwortlichen Kreditnehmer stand schließlich ein unverantwortlicher Kreditgeber gegenüber«, schreibt Geert Mak in Was, wenn Europa scheitert. »Amerika hat einen Bernard Madoff, Europa hat Dutzende, wenn nicht Hunderte«, lautet sein nüchternes Fazit. Der Weg dafür war seit Langem vorgezeichnet. Im Jahr 1972 erlaubte die Chicago Board Options Exchange erstmals sogenannte Foreign Currency Futures, fortan waren dort Wetten auf ausländische Währungen möglich. Die globale Zockerei trieb dann ausgerechnet ein demokratischer US-Präsident voran: Bill Clinton hob im Jahr 1999 den sogenannten Glass-Steagall Act – eine Vorschrift aus den 1930er Jahren, die eine strikte Trennung zwischen Banken mit normalen Kundeneinlagen und Investmentbanken vorschrieb – auf, wodurch die großen US-Banken ungehemmt auch mit eigenem Kapital zocken und sich an den Geschäften ihrer Großkunden beteiligen konnten. »Too big to fail«: Bald wuchsen ihre Einnahmen und ihre Bilanzsumme derart rasant an, dass sie später zu marktbeherrschend und vernetzt sein sollten, um einfach untergehen zu können. Die ebenso simple wie gefährliche Folge war, dass die Inhaber dieser Institutionen selbst nach unverantwortlichem Zocken darauf hoffen konnten, dass im Falle einer Krise der Staat mit einer Finanzspritze bereitstünde. Ein besseres Beispiel für einen Moral Hazard kann man sich nicht vorstellen.

Mit der Überhitzung der Kapitalmärkte einher ging eine Internationalisierung der Geldströme. Noch in den 1970er Jahren finanzierte Deutschland 40 Prozent seiner Staatsanleihen mit »nationalem Geld«, also mit dem Geld der eigenen Bürger. Heute ist dieser Anteil verschwindend gering.



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