Westwind aus Kasachstan by Heinz G. Konsalik

Westwind aus Kasachstan by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-30T04:00:00+00:00


Zunächst kochte Frantzenow in seiner kleinen Küche eine Nudelsuppe und wärmte im Backofen pelmini auf, das sind mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Als Weberowsky helfen wollte, zeigte er hinaus ins Wohnzimmer.

»Du setzt dich jetzt in den Sessel und ruhst dich aus!« befahl er. »Keine Widerrede, Schwager! Hier bin ich der Herr im Haus. Erzähl mir von euch. Meiner Schwester. Erna geht es gut?«

»Ich weiß es nicht, ob sie mit mir zufrieden ist.« Weberowsky setzte sich in den Sessel, in dem Andrej Valentinowitsch fast erschossen worden wäre. Er sah das Loch in der Wand, aber er dachte sich nichts dabei. »Wir leben, wie wir immer gelebt haben. Harte Arbeit von früh bis spät. Aber wenn man ihre Früchte sieht, ist man glücklich. Mittlerweile bin ich zum Dorfvorstand gewählt worden.«

»Und es stimmt, daß ganz Nowo Grodnow nach Deutschland auswandern will?«

»Ich hoffe es. Wer hierbleibt, wird es sehr schwer haben. Die Häuser werden von Kasachen oder Russen gekauft werden und die zurückgebliebenen Rußlanddeutschen wie Feinde behandelt. Und sie werden sich nicht wehren können, sie werden eine Minderheit sein, um die sich niemand kümmert. Wer ein bißchen Verstand hat, kommt mit uns.«

Frantzenow brachte zuerst die aufgebackenen pelmini hinein, dazu dicke, duftende Salzgurken und in Essig eingelegte Pilze. In der Küche brodelte das Salzwasser mit den Nudeln.

»Was sagen deine Kinder dazu?« fragte er.

»Hermann ist mit einer Russin verlobt, die Kasachstan nicht verlassen will. Gottlieb wartet auf seine Zulassung an eine Universität. Die Partei hat ihm versprochen, daß er Medizin studieren darf. Er soll ein Stipendium bekommen. Ein kluger Junge ist er. Außerdem liebt er ein Mädchen, das er vor uns versteckt. Ich weiß nicht, aus welchen Gründen, aber ich frage ihn auch nicht. Er will auch bleiben.«

»Und Eva?«

»Sie wird mitkommen.«

»Erna?«

»Welche Frage, Andrej. Sie ist dort, wo ich bin.«

»Weberowsky, der Patriarch!«

Frantzenow sah zu, wie Weberowsky mit Heißhunger die pelmini aß, ging ab und zu in die Küche, prüfte die Nudeln, goß sie dann ab und schüttete sie in einen Topf mit Hühnerbrühe, den er aus dem alten Kühlschrank holte. Weberowsky schnupperte mit hoch erhobener Nase.

»Du lebst nicht schlecht!« rief er. »Was man so aus den Städten hört –«

»Kirenskija war bei Sonderzuteilungen bevorzugt. Im Kaufhaus gab es alles, was man zum täglichen Leben brauchte. Ob sich das jetzt ändert? Ich habe öfter für mich gekocht, das Essen in der Kantine schmeckt immer gleich. Außerdem immer die gleichen Gesichter, die gleichen Themen, die gleichen Klagen. Man setzt sich an den Tisch und weiß im voraus, was man zu hören kriegt.«

Weberowsky löffelte zwei Teller voll Nudelsuppe und war dann so satt, daß ihn Müdigkeit ergriff. Er legte den Kopf gegen die Sesselpolster und sah seinen Schwager mit schläfrigem Blick an.

»Du lebst sehr zurückgezogen?«

»Ja. Ich bin am liebsten mit mir allein.«

»Hast du keine Freunde?«

»Hier gibt es keine Freunde, nur neidische Arbeitskollegen. Jeder will den anderen übertreffen, um einen lobenden Eintrag in die Personalakte zu bekommen. Seit Wochen ist es noch schlimmer. Die Angst der Arbeitslosigkeit hat alle im Griff. Jeder hofft, unentbehrlich zu sein, und kriecht Nurgai in den Hintern. Dabei zittert Nurgai selbst um seine Zukunft.



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