Wer stirbt schon gerne samstags by Lothar Schenk

Wer stirbt schon gerne samstags by Lothar Schenk

Autor:Lothar Schenk
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783732259755
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2014-12-28T23:00:00+00:00


10

Jetzt mal ganz von vorne. Also diese italienischen Bergdörfer. Da passiert nie was. Den Mörder musst du von zu Hause mitbringen. Und selbst dann. Vielleicht mal der Monsignore. Dass er mal ein oder zwei Messdiener. Aber das merkt doch sowieso keiner. Oder der Esel fällt um. Vor drei Tagen stand in der Zeitung, dass im Nachbarort, auch so ein Bergdorf, eine Einundsiebzigjährige Zwillinge gekriegt hat. Mutter und Kinder wohlauf. Leihmutter! Das nenn ich Süden. Da hängt die riesige Pomeranze zwanzig Jahre ununterbrochen am gleichen Baum. Da tropft schon der Saft raus. Bevor sie dann endlich runterfällt. Und schmeckt noch. Ganz süß. Stell dir das mal vor! Aber darum geht´ s hier ja gar nicht. Die Judy wurde gefressen. Und der Daumiller spielt den Detektiv. Mal sehen!

Der kleine Platz ist fassungslos. Die kahlen Bäume wechseln Schatten. Du den. Ich den. Das Licht. Mal Sonne. Dann wieder Bewölkung. Manchmal fast schon Dunkelheit. Man hört sie. Den Fischhändler. Den dicken Melonenverkäufer. Den Käsehändler. Den Brothändler und die Gemüsefrauen.

Ein Kleinbus hält neben der Kirche. Ältere Touristen steigen aus. Sie tragen Baseballmützen.

Der Hund hat gute Laune. Er liegt neben dem Verkaufswagen des Metzgers.

„Noch einen Espresso?“

„Ja gerne!“

Das Dreirad steht vor der Bar. Der Mann liest Zeitung. Raucht.

„Du auch noch einen?“

„Ja!“

Und dann geht´ s los. Die beiden Frauen. Ende Zwanzig. Beide mit Rucksack. Eine blättert im Reiseführer. Die andere hat einen Gehfehler. Ihr Blick.

Sie stehen weiter weg und fragen Klaus Daumiller. „Sorry! Is this the church with the doubleheadmummies?“

„Yes, of course.“

„Thank you.“ Sie lächeln gequält. Schleppen ihre Rucksäcke Richtung Kirche.

„Dein Espresso, Klaus!“

„Danke!“

Ein außergewöhnlicher Tag. Plastiktüten und Touristen.

Die Mumien liegen unter der Kirche. Man erzählt sich eine Menge Spukgeschichten. Die Mumien sind wohl aus dem frühen Mittelalter.

Der Mann raucht. Und der Fischhändler. Die alte Frau auch. Und Klaus Daumiller. Die Zigarettenfrau hat sie ihm empfohlen.

Seine Gedanken springen höher. Fluchtversuche. Vor dem Unvorstellbaren? Vielleicht. Und die kahlen Bäume. Und der Markt. Und die Menschen. Und dann spürt er, wie sie immer wieder in ihn hineinbeißen. Wie sie ihn begrabschen. Diesen Schmerz. Wie er ihn mehr und mehr wieder verlässt. Wie er jetzt ganz verschwindet. Und wie sie Stück für Stück aus ihm herausbeißen. Wie sein Blut läuft. Wie sie es saugen. Es lecken. Wie sie ihm in den Kopf beißen. Ihn ihm abbeißen wollen. Nein!

Das Dreirad knattert vorbei. Der Mann winkt. Der schmale Marktplatz gähnt. Mittagssonne. Der Fischhändler fährt als Letzter. Die alte Frau sitzt neben Klaus Daumiller vor der Bar. Sie raucht, trinkt ein Glas Weißwein. Schweigen. Die kahlen Bäume strahlen.



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