Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) by Lanfermann Mechthild

Autor:Lanfermann, Mechthild [Lanfermann, Mechthild]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-07-07T22:00:00+00:00

Brandenburg, Hofsmünde

Grundsätzlich gilt: Wer in den Kreisverkehr hineinfährt, muss die Vorfahrt beachten. Das gilt auch, wenn der Kreisverkehr mehrspurig ist und der laufende Verkehr, also die Fahrzeuge, die sich bereits im Kreisverkehr befinden, auf der Spur weiter innen fahren. Sollte ein solcher Verkehrsteilnehmer die Spur wechseln, vielleicht weil er die nächste Ausfahrt nehmen möchte und stößt dann mit Ihrem Fahrzeug zusammen, sind Sie der Unfallverursacher und müssen für den Schaden haften.«

Wegen der Kundgebung war Achim zu spät in seine Fahrschule gekommen. Drei Schüler waren wieder nach Hause gegangen, sicher bestanden sie darauf, dass er den Stoff nächste Woche wiederholte. Er hatte Blattner gesagt, dass er nicht könnte, aber was zählten schon seine Termine.

Achim trank einen Schluck Wasser. Seine Kehle war trocken, die Luft getränkt von künstlichen Aromen irischer Aftershaves und Himbeer-Lipgloss. Acht Augenpaare stierten glasig in seine Richtung. Drei Mädchen saßen vorne in der ersten Reihe. Fünf Jungen dahinter, so dicht an ihnen dran wie möglich.

»Gleiches gilt bei dem sogenannten ›halbherzigen Kreisverkehr‹ mit einer Mittelinsel. Häufig ist dort kein Kreisverkehrsschild zu finden, nur ein Vorfahrt-Beachten-Schild. Also auch hier gilt eindeutig: Wer reinwill, muss warten.«

Ann Katrin kicherte leise. Achim spürte, wie sich seine Haare im Nacken sträubten. Dieses Gänschen kicherte bei jeder noch so kleinen Möglichkeit der Umdeutung des Gesagten in den sexuellen Bereich. Jedes, wirklich jedes Mal, wenn er das Wort Verkehr in den Mund nahm. Er war kurz davor, ihr mit dem Zeigestock auf die zweifarbig gefärbten Locken zu schlagen. Achim schwitzte. Er hob den Arm, um sich über die Stirn zu streichen. Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, dass auf seinem Hemd vermutlich bereits dunkle Schweißränder an den Achseln prangten. Zum Glück hatte Blattner schnell verschwinden wollen, als es heiß wurde. Da war er wieder gut genug als Chauffeur. Wie er von denen behandelt wurde. Er hätte das hier nie annehmen dürfen. Er presste die Arme wieder an seinen massigen Körper, und das feuchte Hemd machte einen schmatzenden Ton. Ann Katrin kicherte.

»Es gibt auch kleine Rondelle mit ebenso kleinen Mittelaufbauten, an denen weder Vorfahrtszeichen noch Kreisverkehrzeichen angebracht sind. Solche Rondelle dienen in erster Linie der Verkehrsberuhigung. Dort gilt rechts vor links.«

Achim hatte stundenlang im Netz gesurft, um passende Bilder für seinen PowerPoint-Vortrag herunterzuladen. Aber das Kabel hatte einen Wackelkontakt. Zweimal war es ihm heute Abend abgestürzt, dann hatte er aufgegeben und auf die Fantasie seiner Schüler gesetzt. Estelle streckte ihre langen Fohlenbeine und schlug nun das linke über das rechte. Achim meinte kurz ihre Unterhose durchblitzen zu sehen und hoffte, dass er keinen Steifen bekommen würde. Zum Glück trug er die festen Jeans aus dem Versand, Größe XXL. Estelle zog ihr T-Shirt über dem Busen glatt. Dem Jungen, der direkt hinter ihr saß, entfuhr ein Japsen.

»Strenggenommen sollte man in diesem Fall auch nicht ›Kreisverkehr‹ sagen. Es sind im Grunde ganz kleine Kreuzungen mit einer Insel in der Mitte.«

Die Jeans spannte, und Achim wagte nicht, an sich herunterzusehen. Er ging nach hinten, zog eine der Vorfahrts-Karten aus dem Ständer und fummelte so lange damit herum, bis er seinen Körper unter Kontrolle hatte.

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