Wenn die Kuckuck zweimal klingelt by Katja K

Wenn die Kuckuck zweimal klingelt by Katja K

Autor:Katja K.
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: MIRA Taschenbuch
veröffentlicht: 2014-12-29T16:00:00+00:00


GEMÄLDE AUS ERSTER HAND

An seine Galerie in der Münchner Maximilianstraße, der Nobelmeile der Stadt, erinnerte ich mich noch sehr gut. Eine Freundin hatte mich zu einer Happening-Vernissage mitgenommen. Ein mir unbekannter Künstler schoss mit einer Pistole auf ein an der Stirnseite der Galerie befestigtes, vier Meter hohes Gemälde.

Das Publikum war teils ganz außer sich vor Begeisterung, teils total irritiert. Zu Letzteren gehörten meine Freundin und ich.

Der Künstler ließ sich anschließend mit seiner Waffe ablichten. Der Galerist Lothar V. schien mit der Wirkung dieser Performance zufrieden. Ich grübelte noch lange, was der Pistolero uns mit seinem Attentat auf das Gemälde sagen wollte. Allerdings muss ich gestehen, dass ich ein etwas konservatives Kunstverständnis habe. Mir sind Gemälde, auf denen ich zumindest erraten kann, was sich der Künstler gedacht hat, am liebsten.

Ein knappes Jahr später hielt ich diverse Pfändungsbeschlüsse für genau diesen Galeristen in Händen. Lothar V. hatte Pleite gemacht und eine Menge Gläubiger am Hals. Seine sehr bizarren Ausstellungen waren wohl nicht ganz nach dem Geschmack des Münchner Publikums.

Ich erwartete, in seiner Wohnung eine Ansammlung der schrägsten Bilder und Skulpturen zu sehen. Genau das Gegenteil war der Fall.

Privat hatte sich Lothar V. auf das 19. und frühe 20. Jahrhundert festgelegt.

In der Fünf-Zimmer-Altbauwohnung, die er mit sehr schönen Biedermeiermöbeln eingerichtet hatte, hingen Gemälde, die schon eher nach meinem Geschmack waren.

Lothar V., ein Mann Mitte fünfzig, hager und mit einem kahlgeschorenen Schädel, empfing mich außerordentlich freundlich. Eine derartige Begrüßung war ich nicht gewöhnt.

„Frau K.“, sagte er, als er mir den Mantel abnahm. „Ich habe mir gerade Tee gekocht. Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

Geplättet von so viel Freundlichkeit, nickte ich.

Wir tranken Tee aus hauchzarten Porzellantassen und machten Smalltalk. Ich erzählte ihm von der Vernissage, die ich in seiner Galerie besucht hatte. Ich verschwieg auch nicht meine Ratlosigkeit.

Lothar V. lachte.

„Ach wissen Sie, das ging wohl den meisten Gästen so. Sie wollten es nur nicht zeigen und mimten Begeisterung!“

„Weshalb haben Sie denn die Galerie aufgegeben?“, wollte ich wissen.

Er sah mich an. Der Blick aus seinen stahlblauen Augen war irritierend.

„Ich habe gegen meine innere Stimme gehandelt. Der damalige Modetrend war diese Art von Happenings, wie Sie eines gesehen haben. Meine Liebe aber gehört Gemälden und Möbeln, wie Sie sie in meiner Wohnung sehen. Man soll nicht gegen seinen Geschmack agieren. Meistens merkt es das Publikum!“

„Muss man eigentlich als Galerist selbst malen können?“, fragte ich neugierig.

Lothar V. schüttelte den Kopf.

„Es ist gut, etwas über Kunst zu wissen. Ich habe Kunstgeschichte studiert und sogar an der Akademie ein paar Kurse belegt. Eine große Begabung konnte mein Professor bei mir aber nicht feststellen. Er fand, ich solle mich auf etwas anderes konzentrieren. Aber Sie sehen ja, wohin man sich verlaufen kann!“

Ich öffnete meine Aktentasche und holte die Pfändungsunterlagen heraus.

Er sah mir sehr interessiert zu.

„Sind das alles Forderungen von meinen Gläubigern?“, fragte er.

Ich stutzte.

„Aber Sie müssen doch die Mahnschreiben bekommen haben!“

Lothar V. seufzte.

„Wahrscheinlich! Und um ehrlich zu sein, ich habe sie alle in eine Schublade gepackt. Ich wollte mich nicht damit beschäftigen. Ich denke darüber nach, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte.



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