Wenn alte Menschen aggressiv werden by Baer Udo; Frick-Baer Gabriele; Alandt Gitta

Wenn alte Menschen aggressiv werden by Baer Udo; Frick-Baer Gabriele; Alandt Gitta

Autor:Baer, Udo; Frick-Baer, Gabriele; Alandt, Gitta [Baer, Udo; Frick-Baer, Gabriele; Alandt, Gitta]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783407223272
Herausgeber: beltz Verlag
veröffentlicht: 2014-07-28T22:00:00+00:00


Auch bösartige Menschen werden alt

Wir Menschen haben alle die grundsätzliche Fähigkeit des Mitgefühls. Wir können uns in das Leiden anderer Menschen hineinversetzen. Wir sind so in der Lage, deren Schmerz zu spüren. In bildgebenden Verfahren haben Neurobiolog/innen zeigen können, dass dabei spezialisierte neuronale Systeme im Gehirn aktiv sind. Die Teilsysteme im Gehirn, die das Mitgefühl ermöglichen, werden Spiegelneuronen genannt.

Nun können Menschen diese Fähigkeit verloren haben. Dieser Verlust geschieht nicht aus heiterem Himmel, sondern durch Erfahrungen von Bösartigkeit und Prügel und unterlassener Hilfeleistung, vor allem, wenn Gewalterfahrungen verbunden sind mit der »Leere danach«, dem Alleinsein, dem Fehlen von Mitgefühl, Trost usw. Dann werden die Gewalterfahrungen weitergegeben, dann entstehen Rohheit und gewalttätiges Verhalten. Es ist bekannt, dass es solche Rohheit häufig gegenüber Kindern gibt, die sich in Schlägen, in sexueller Gewalt und anderen Erniedrigungen äußert. Solche rohen und verrohten Menschen werden alt und pflegebedürftig. Doch weder die Pflegebedürftigkeit noch das hohe Alter machen sie zu besseren Menschen. Durch Pflegebedürftigkeit erwerben sie nicht plötzlich die Fähigkeit zum Mitgefühl. Also setzen sie ihre Rohheit, die sich in Aggressivität und Gewalttätigkeit auslebt, fort. Wenn sie sie nicht mehr an ihren Angehörigen auslassen können, dann tun sie dies an Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern oder an den Menschen, die sie pflegen. Oft mündet die Gefühllosigkeit in offene Gewalt, oft schafft sie eine Beziehungsatmosphäre, die von anderen als gewalttätig empfunden wird:

Beim Einzug einer alten Frau ins Pflegeheim sind der begleitenden Schwiegertochter sowohl die Anstrengungen als auch die Erleichterung förmlich ins Gesicht geschrieben.

Sie sei »mit den Nerven am Ende« und halte das ständige Tyrannisieren nun nicht mehr aus. »So geht das schon mein ganzes Leben. Vom ersten Tag unseres Kennenlernens hat meine Schwiegermutter mich schikaniert. Nichts, aber auch rein gar nichts konnte ich ihr recht machen. Verzeihen Sie, aber ich habe sie heimlich immer ›alte Hexe‹ genannt. Jetzt sieht es auch mein Mann ein: Sie hat unsere Ehe immer belastet. Ich kann nicht mehr … wir müssen Mutter abgeben.« Und sie erzählt, dass sie nie ein Wort der Anerkennung erhalten hat. »Selbst als ich selber krank war, wurde ich herumkommandiert. Ich war ihr völlig egal.« Und dann, mit leiser Stimme und der Pflegerin zugewandt: »Passen Sie auf! Die ist nämlich böse!«

Auch wenn diese Schwiegertochter keine offenen Gewalterfahrungen wie Schläge erleben musste, war die Erfahrung der Gefühllosigkeit der alten Frau und damit der gefühllosen Beziehung für sie eine Gewalterfahrung. Sie konnte auf Dauer eine solche Erfahrung nicht aushalten, in ihr »ging etwas kaputt«.

Für viele alte Menschen, wie vielleicht auch für diese Schwiegermutter, sind Prügel und andere Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend sowie schlimme Kriegserfahrungen Gründe, die sie in die Rohheit getrieben haben. Kein Mensch, so unsere Überzeugung, wird verroht geboren, Menschen werden verroht gemacht. Solche schlimmen Erfahrungen können erklären, aber nicht entschuldigen. Entscheidend für die Haltung gegenüber einem Menschen, der verroht wurde, ist, ob er sich wenigstens teilweise um mitfühlende und andere verstehende Beziehungen bemüht. Wenn er es ablehnt, sich in andere hineinzuversetzen, vor allem deren Leiden anzuerkennen, und die eigenen Gewalterfahrungen als »richtig« darstellt und weitergibt, dann ist er als



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