Weltkrieg der Waehrungen by Daniel D. Eckert

Weltkrieg der Waehrungen by Daniel D. Eckert

Autor:Daniel D. Eckert [Eckert, Daniel D.]
Die sprache: ara
Format: epub
Herausgeber: FinanzBuch Verlag
veröffentlicht: 2012-05-29T22:00:00+00:00


Europäischer Dauerdualismus

Erbfreundschaft

Der schmähliche Tod der Schlange in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre machte eines deutlich: Eine koordinierte europäische Währungspolitik, geschweige denn eine gemeinsame Währung – zu diesem Zeitpunkt wahlweise noch ein ferner Traum oder ein ferner Albtraum – konnte ohne engste Kooperation nicht funktionieren. Vor allem auf die deutsch-französische Abstimmung kam es an, schließlich war die Schlange nicht zuletzt auf Initiative von Paris ins Leben gerufen worden und sollte gleichzeitig deutschen Exportinteressen dienen. Doch gerade die deutsch-französische Freundschaft, wie die Kooperation beider Länder seit dem Elysée-Vertrag von 1963 quasi offiziell hieß, wurde in den Siebzigerjahren auf die Probe gestellt. Viele der Ereignisse im Währungsverbund waren europapolitisches »Rauschen«, das Kernproblem ließ sich darauf reduzieren, dass der Kontinent mit zwei schwer vereinbaren Machtansprüchen konfrontiert war: Auf der einen Seite stand die Französische Republik, die sich als politisch tonangebende Nation auf dem Kontinent verstand, auf der anderen Seite Deutschland, das sich über seine gestärkte industrielle Macht und seine harte Währung definierte. Dass die D-Mark als europäische Ankerwährung fungierte, registrierten die Bundesbürger mit einem »benign neglect«, mit einer gutmütigen Gleichgültigkeit.

Die Wurzeln des Interessengegensatzes zwischen den beiden Erben des Karolingerreiches reichen tief in die Geschichte zurück. Frankreich war in den zurückliegenden hundert Jahren dreimal von Deutschland angegriffen worden. Der Krieg von 1870/71 führte nicht nur zur deutschen Reichsgründung in Versailles, sondern gebar auch den hartnäckigen Mythos von der deutsch-französischen Erbfeindschaft, die sich historisch gar nicht belegen lässt. In den Jahrzehnten nach der Niederlage von 1871 fuhr Paris eine geschickte Bündnispolitik, die hauptsächlich gegen den östlichen Nachbarn gerichtet war, der Frankreich das Elsass und Teile Lothringens entrissen und zu einer Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Goldfrancs genötigt hatte. Der liberalen Republik gelang es, eine Entente mit dem autokratischen Russland und mit dem kolonialen Konkurrenten England zu schmieden. Bald sah sich das außenpolitisch nicht immer geschickt agierende Reich eingekreist. Der Zusammenhalt der unwahrscheinlichen Dreierkoalition trug maßgeblich dazu bei, dass Frankreich den nächsten Waffengang gegen Deutschland – »la Grande Guerre« von 1914 bis 1918 – für sich entscheiden konnte. Nach 1918 suchte Paris seine Sicherheitsinteressen durchzusetzen, indem es das Reich territorial verkleinerte, außenpolitisch ächtetet und mittels der Klauseln des Versailler Vertrags finanziell wie militärisch am Boden hielt. Insgesamt sollte Deutschland 132 Milliarden Goldmark an Wiedergutmachung zahlen, einen Großteil davon – nämlich 52 Prozent – an Paris. Allerdings enthielt das »Versailler Diktat«, wie der Friedensvertrag in der Weimarer Republik angegriffen wurde, einen inneren Widerspruch: Um derart hohe Reparationen zu leisten, hätte Deutschland eine enorm expansive Exportpolitik betreiben müssen. Genau dieser Boom der deutschen Ausfuhrindustrie wurde in den Zwanzigerjahren aber durch beträchtliche Zölle behindert und lag auch überhaupt nicht im Interesse der Kriegsgewinner, deren Exporteure im harten Wettbewerb mit denen aus Berlin, Hamburg oder Leipzig standen.

Die Lage nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg, der für Frankreich Niederlage und Sieg zugleich war, rief nach einem neuen Ansatz: Nicht mehr durch institutionalisierte Niederwerfung, sondern durch Einbindung sollte der mehrmalige Kriegsgegner von neuerlichen politischen oder militärischen Eskapaden abgehalten werden. Die Montanunion von 1952 und vier Jahre später die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft waren nicht nur, aber auch



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