Weihnacht (German Edition) by Karl May

Weihnacht (German Edition) by Karl May

Autor:Karl May [May, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub


Vielleicht würden diese Worte mich nicht so gestärkt haben, wenn sie von einem andern stammten; aber ich bin früher gewohnt gewesen, auf alles, was du sagtest, doppelt Wert zu legen, weil deine Meinung stets die richtige war, und wenn mir diese Strophe einfiel, war es mir immer so, als ob du persönlich vor mir ständest und ich deine liebe Stimme hörte. Weißt du, wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, so kommt es mir grad so vor, als ob ich in einen regnerisch trüben Tag hineinsähe; es giebt nichts darin, was mich erfreut, nichts, gar nichts, als nur eine einzige Gestalt, an die ich gern denke und auch gern denken darf, weil sich an sie kein Leid, kein Vorwurf für mich knüpft. Diese Gestalt ist mein guter Sappho, der sich soviel Mühe mit mir gegeben hat, ohne etwas aus mir machen zu können. Jetzt bist du wieder bei mir und kannst dir wohl denken, was das für mich heißt! Ich frage nicht, wie du es anfangen und ob du es fertig bringen wirst, aber ich weiß, daß meine Rettung mit dem Augenblicke begonnen hat, an welchem du mich heute zu dir nahmst. Rette mich, Sappho, rette mich! Ich kann dir freilich dabei gar nicht helfen, denn ich bin so unwissend und so schwach, daß ich nach dir greifen muß, wie ein kleines Kind sich an die Rockfalten seiner Mutter hängt. Wir wollen wieder einmal jung sein und mit einander in die Berge wandern!«

Er reichte mir weinend seine Hand; ich drückte sie ihm tief bewegt, versuchte aber, ihn durch einige heitere Worte anzuregen:

»Ja, wollen in die Berge wandern! Wir sind ja schon mitten drin. Weißt du vielleicht, welchen Kurs heut der Gulden hat?«

»Gar keinen mehr, denn ich bin der Gulden, für den man keinen Pfennig zahlt. Wenn es dir nicht gelingt, mich wieder in Kurs zu bringen, ist es für immer mit mir aus!«

Er ließ den Kopf sinken und fiel in seine frühere Teilnahmlosigkeit zurück.

Ich mußte wieder bei mir denken: Armer, armer Carpio! Es hatte während seiner langen Rede geschienen, als ob doch noch ein wenig Energie in ihm vorhanden sei – aber auch nur geschienen! Seine Worte klangen tonlos, und seine Augen blieben unbelebt. Sein Leben war ein Jammer, ein fortgesetzter Jammer gewesen, ein fortgesetztes Fallen aus einem in den andern Mißerfolg. Und die einst so berühmten drei Blitze – Eldorado, Millionär, Universalerbe – sie hatten ihm auch kein Heil gebracht; er war das bewußt- und willenlose Werkzeug seines gewissenlosen Verwandten geworden und mußte es noch als ein Glück betrachten, daß dieser, als er in Pittsburg unmöglich geworden war, ihn dort nicht einfach sitzen ließ, sondern mitgenommen hatte, jedenfalls um seine Harmlosigkeit noch weiter auszubeuten.

»Uff!«

Dieser plötzliche Ausruf Winnetous riß mich aus meinen Gedanken. Wir ritten an einem langgestreckten Waldstreifen hin; ein Indianer war zwischen den Bäumen hervorgetreten und stand in kerzengerader Haltung da, den Blick auf uns gerichtet, doch ohne ein Wort zu sagen.

»Teeh!« rief auch ich verwundert aus, sobald ich ihn erblickte.

»Teeh sagt Winnetou, dem berühmten Häuptling der Apatschen, und



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