Wayfarer 3: Unter uns die Nacht by Becky Chambers
Autor:Becky Chambers
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction
Herausgeber: Fischer
veröffentlicht: 2019-03-26T23:00:00+00:00
Tessa
»Solltest du nicht bei der Arbeit sein?«, brummte Pop, der breitbeinig im Wartezimmer der Ambulanz saß. Sie waren die Einzigen, Gott sei Dank. Das Letzte, was sie bei dieser lächerlichen Aufgabe brauchte, war ein Publikum.
»Nein, ich bin hier«, sagte Tessa, während sie langsam durch einen Nachrichtenfeed auf ihrem Scribus scrollte. O Sterne, gab es eigentlich je einen Tag mit guten Nachrichten?
»Hast du heute keinen Dienst?«
»Ich habe den Nachmittagsdienst mit Sahil getauscht.«
Aus dem Augenwinkel sah Tessa, wie Pop die Arme verschränkte und missbilligend den Mund verzog. »Ich wäre hingegangen«, sagte Pop.
»Du hattest schon sechs Tagzehnte keinen Check-up mehr. Eigentlich solltest du alle drei Tagzehnte einen haben.«
»Mir geht es gut.«
Tessas Blick ging zu der Wand gegenüber. »Kannst du das Schild da drüben lesen?«
»Welches Schild?«
Sie nickte hinüber zu der auffälligen gelben Hinweistafel an der Wand, die über die seit neuestem erhältlichen Immunobots-Modelle informierte. »Dieses Schild.«
»Ach, dann bist du jetzt meine Ärztin?«
»Pop.«
»Tut mir leid, aber solche Fragen darf mir nur jemand stellen, der einen medizinischen Beruf ausübt.« Er musterte sie von oben bis unten. »Und ich kann nirgends deine Zulassungen sehen.«
In Tessas linker Schläfe setzte ein stechender Schmerz ein. Pop verhielt sich kindisch, aber sie war sich außerdem ziemlich sicher, dass er das Schild nicht lesen konnte, und das bedeutete, dass sie das hier durchziehen musste.
Zum Glück ging die Tür zum Behandlungsraum auf. Dr. Koraltan erschien und lächelte breit. »M Santoso, na endlich!«, sagte er in einem Tonfall, der verriet, dass er genau wusste, worum es ging. »Ich dachte fast schon, Sie mögen uns nicht.«
Pop stand auf; Tessa tat es ihm gleich. »Du kommst nicht mit«, murmelte Pop.
»O doch, und ob.« Sie steckte den Scribus in ihr Holster und zeigte auf die Tür. »Nach dir.«
Dr. Koraltans Lächeln wurde breiter. »Freut mich, Sie ebenfalls zu sehen, Tessa. Wie geht’s dem Rücken?«
»Ganz gut«, sagte sie, während sie ihrem Vater, der mittlerweile aufgegeben hatte, in das Behandlungszimmer folgte. »Erstaunlich, wie sehr es geholfen hat, mir beim Hochheben meines Kleinkindes nicht mehr das Kreuz zu verrenken.«
Der Arzt lachte und schloss mit einer Geste die Tür zum Behandlungszimmer. »Dann mal bitte rauf auf die Liege, M. Und Sie, Tessa, machen es sich bequem.« Er gestikulierte über seinem Scribus. »Okay, M, offenbar waren sie … wow, fast neun Tagzehnte nicht mehr hier.«
Tessas Kopf fuhr zu ihrem Vater herum. »Neun, was?«
Pop starrte finster auf den Fußboden. Er sah exakt genauso aus wie Aya, wenn sie etwas angestellt hatte. Sie hätte fast gelacht, wenn es nicht so verdammt beschämend gewesen wäre.
Dr. Koraltan räusperte sich. »Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, alle dreißig Tage herzukommen, M. Ich weiß ja, dass es keinen Spaß macht, aber …«
»Ich lasse mich nicht noch einmal operieren«, blaffte Pop. »Mir geht es gut.«
Der Arzt wechselte einen Blick mit Tessa. »Glauben Sie denn, dass das nötig ist?«, fragte er.
Pop schwieg eine Sekunde zu lange. »Woher soll ich das wissen?«, fragte er.
Der stechende Schmerz in Tessas Schläfe griff auf die angrenzende Augenhöhle über.
»Nun, dann schauen wir mal, ob ich diese Frage klären kann«, sagte der Arzt und winkte einen Botscanner herüber, auf den Pop automatisch ein Handgelenk legte.
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