Wassermusik by Boyle T. Coraghessan

Wassermusik by Boyle T. Coraghessan

Autor:Boyle, T. Coraghessan [Boyle, T. Coraghessan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Von da an ging es stetig abwärts. Natürlich gab es dennoch ein Auf und Nieder, doch insgesamt neigte sich die Kurve von Glegs Leben dem Tiefpunkt entgegen. Direkte Konsequenz des Vorfalls mit Tullochgorm war der Schulverweis, gefolgt von einer dreifachen Tracht Prügel durch Georgies Mutter, Quaggus und den Schulmeister. Während der nächsten vierzehn Tage zwang man Gleg, zu jedem Mahl eine Tasse des eigenen Urins zu trinken, und nachmittags mußte er eine halbe Stunde lang am Dorfpranger stehen, der zu diesem Zweck ad hoc errichtet worden war. Am Ende der zwei Wochen wurde er in schroffer Weise aus dem Haus geworfen, und zwar auf Quaggus’ Stiefelspitze, und nach Edinburgh geschickt, wo er bei seinem Onkel Silas wohnen und die dortige Schule besuchen sollte.

Erstaunlicherweise war Edinburgh gar nicht so übel. Schon weil ihn in der großen Stadt niemand kannte. Keiner wußte von dem ermordeten Adler und den blutbefleckten Dachziegeln, keiner beschuldigte ihn, den bösen Blick zu haben oder allein durch seine Gegenwart Milch sauer werden zu lassen. Für die neuen Mitschüler war er nur ein schlaksiges, segelohriges Objekt des Gespötts – nichts Besonderes. Im Hagel der Beschimpfungen gelang es ihm sogar, ein paar Freundschaften zu schließen – ebenfalls Einzelgänger, natürlich, aber es war ein Anfang. Andererseits bekundete Silas Gleg lebhaftes Interesse an seinem Neffen. Er kleidete ihn anständig ein, stellte einen Hauslehrer an, gab ihm Taschengeld – Georgie fing an, sich so zu entwickeln, wie es einem Gutsherrnsohn anstand. Er schloß die Schule mit hervorragenden Noten ab.

An diesem Punkt mischte sich Quaggus ein. Da inzwischen kaum noch Grundbesitz oder ein nennenswertes Erbe übrig sei, so argumentierte er, sollte der Junge einen guten Beruf ergreifen, seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, für sich sorgen lernen. Silas Gleg pflichtete widerwillig bei. Zunächst kam Georgie bei einem Apotheker in die Lehre, und als der Pillendreher unverhofft aus dem Leben schied, wurde er Famulus bei Silas Glegs altem Freund Dr. James Anderson in Selkirk. Dort lernte er Ailie kennen, und sein Leben bekam plötzlich einen Wert, wurde etwas Schönes, näherte sich erstmals dem Erhabenen. Als sie einwilligte, seine Frau zu werden, fühlte er sich, als hätte er die ganze Welt erobert. Alexander, Cäsar, Attila – alles Stümper im Vergleich zu ihm.

Doch dann, gerade als das Leben sich ihm eröffnete wie eine Orchidee in voller Blüte, klappte es auf einmal wieder zu, tödlich, schmählich, im Innersten verfault. Sie rannte ihm davon. Kroch im Dunkel fort, als wäre er eine Bestie, der sie im hellen Tageslicht nicht gegenübertreten konnte. Alle Verwandten und Nachbarn waren versammelt gewesen. Quaggus und seine Mutter. Onkel Silas. Es hätte der krönende Augenblick seines Lebens sein sollen.

Er verließ Selkirk am Tag nach Weihnachten. Es gab keine Erklärungen, keine Entschuldigungen, keine Abschiedswünsche. Gramgebeugt den Koffer in der Hand, zog er ab in Richtung Edinburgh. Es war kalt. Der Wind pfiff von Norden her mit einem Geräusch wie klagende Vögel, und die eisverkrusteten Äste knarrten wie Kronleuchter bei einer Totenfeier. Hätte er sich die Mühe gemacht, den Kopf zu heben, wäre sein Blick auf öde graue Hügel



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