Was du mir verschweigst by Ariella Kornmehl

Was du mir verschweigst by Ariella Kornmehl

Autor:Ariella Kornmehl [Kornmehl, Ariella]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-04-14T16:00:00+00:00


Ihre gelösten Haare lassen sie ganz anders aussehen, weicher, lieber. Sie fallen ihr bis über die Schultern. Dafür ist sie natürlich zu alt, deshalb steckt sie das Haar immer auf. Als sie merkt, dass ich sie betrachte, beginnt sie sich zu entschuldigen. Sie hat sich mit Mühe angezogen, aber frisieren konnte sie sich noch nicht, wegen ihrer geschwollenen Hände. Das Wasser muss abfließen. Damit hat sie morgens oft Probleme, sagt sie, dann tun ihr die Gelenke weh. Während sie ihre verkrümmten Finger mühsam hin und her bewegt, setze ich mich neben sie und überlege, ob ich damit später ebenfalls Probleme haben werde.

Es ist Viertel vor acht, sie fragt, ob ich schon den Nebel gesehen hätte. Ich weiß nichts von Nebel. Meine Sicht war schon die ganze Zeit ziemlich getrübt, aber das wird sie sicher nicht meinen. Wenn sich dieser Nebel nicht bald auflöst, brauche ich doppelt so lang zum Flughafen. Den Nebel möchte ich schon mit eigenen Augen sehen. Beim Blick aus dem Fenster erkenne ich, dass es halb so wild ist, kein Problem, wir können sogar noch beim Postamt vorbei, von dem sie gesprochen hat, bisher haben wir das noch nicht geschafft.

Sie sagt, dass sie nicht einmal den Laternenmast sehen könne, der links vor dem Haus stehe.

Ich sehe zwei.

Wieder am Tisch bekomme ich zu hören, dass ich meine Haare trocknen solle, damit ich mich nicht erkälte. Lächelnd nicke ich. So saßen wir gestern Abend auch beisammen, denke ich, es endete in einem ungemütlichen Schweigen. Trotz ihrer schmerzenden Hände scheint sie heute besser gelaunt, und auch ich versuche, einen heiteren Eindruck zu erwecken. Ich habe nicht mehr viel Zeit.

Ohne mich zu fragen, was ich aufs Brot möchte, hat sie bereits zwei halbe Brote auf einen Teller gelegt, den sie jetzt über das geblümte Tischtuch schiebt. Hier, Kind, sagt sie leise. Bevor sie selbst ins Brot beißt, mustert sie mich unschlüssig. Heute wehe ein tüchtiger Wind, ich solle mich warm anziehen. Ich tue doch nichts anderes, möchte ich ausrufen, seit ich hier bin, ziehe ich mich warm an, Schicht über Schicht, aber ich nicke gehorsam. Um das Thema zu wechseln, sage ich, dass ich Lust auf Obst hätte. Die Mandarinen schmecken gut, behauptet meine Mutter, die Bananen sehen nicht mehr besonders aus. Da liegt auch ein angefaulter Apfel. Nimm den bloß nicht, zischt sie. Plötzlich steht sie auf, ich erschrecke, sie nimmt den Apfel und wirft ihn in den Abfalleimer. Bevor es ihm so ergeht wie dir, sagt sie böse. Ich begreife kein Wort, aus heiterem Himmel ist ihre Laune umgeschlagen, was will sie damit sagen? Mein fragender Blick ist genug. Sie rückt ihren Küchenstuhl ein Stück nach hinten, setzt sich wieder und behauptet dann mit Nachdruck, ein fauler Apfel stecke hundert gesunde an. Schau nur, was mit dir passiert, schau nur, wie du jetzt beieinander bist.

Bei mir liegt es vor allem an meiner Müdigkeit, meine Nachtruhe ließ heute ziemlich zu wünschen übrig.

Sie fühlt sich genötigt, hinzuzufügen, dass es ihr vernünftiger erscheine, nicht mehr darüber zu sprechen, das Thema als abgeschlossen anzusehen.



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