Was die Schatten verbergen - Ein Inspector-Wexford-Roman by Ruth Rendell

Was die Schatten verbergen - Ein Inspector-Wexford-Roman by Ruth Rendell

Autor:Ruth Rendell
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2014-07-24T22:00:00+00:00


13

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Trotz der verlockenden Aussicht hatte er sich kein zweites Glas Rotwein gegönnt. Nein, nicht wegen einer unbestimmten Vorahnung, dass man ihn wegrufen würde. An so etwas dachte er höchst selten. Aber es war noch früh, und er hatte sich eben erst zum Abendessen hingesetzt. Wenn er schon jetzt mehr Rotwein trank, würde er vor dem Schlafengehen noch ein Glas genießen wollen. Also ließ er den Silberstöpsel – ein Geschenk seiner Tochter Sheila – in der Flasche und widmete sich seinen Fusilli alla carbonara und dem Rucolasalat, auch wenn er Letzteren nicht sonderlich mochte, aber Dora befand, Salat täte ihm gut. Während des Essens kam er ins Grübeln. Offensichtlich gewann man im Älterwerden wieder Geschmack an den Lieblingsgerichten der Jugendzeit. Während man in den mittleren Jahren ganz gerne frittierte Melonenblüten, gefüllte Filotaschen und Chorizo verspeiste, sehnte man sich jetzt nach Gerichten, die man nie bekam: Würstchen, Pastete mit Rindfleisch und Nierchen, Zwetschgenkompott und Vanillepudding. Diese Überlegungen amüsierten ihn, und er fragte sich, ob Dora dasselbe empfand. Eigentlich war er ziemlich vom Gegenteil überzeugt. Gerade wollte er sie danach fragen, da klingelte das Telefon.

Sie wusste schon, dass es für ihn sein würde, und reichte ihm den Hörer weiter, ohne sich selbst zu melden.

»Ich muss weg.« Er stand auf. Zurück blieb die Hälfte seiner Fusilli. »Es ist etwas Ernstes«, sagte er. Diesen Ausdruck benutzte er immer, wenn er zu einem ungeklärten Todesfall oder einem Mordanschlag gerufen wurde. So wie damals, als man im Botanischen Garten die Leiche von Billy Kenyon gefunden hatte, und auch als Nicky Dusan erstochen wurde. Später war er froh, dass er sich an diese dürre Erklärung gehalten hatte. Hätte er Dora die für ihn damals noch bedeutungslose Adresse genannt, zu der man ihn an diesem Abend rief, hätte sie dermaßen schockiert und entsetzt reagiert, dass er sich gescheut hätte, sie allein zu lassen.

Nickend nahm sie es zur Kenntnis. Die Zeiten, in denen sie sich aufgeregt hätte, weil er nicht fertig essen konnte, waren längst vorbei. Inzwischen war sie froh, wenn er eine Mahlzeit verpasste oder nur die Hälfte aß, denn dann nahm er wenigstens nicht zu – auch wenn er davon nicht abnahm.

Während er im eigenen Auto nach Pomfret fuhr, war er erneut froh, dass sich sein abendlicher Getränkekonsum auf ein kleines Glas Rotwein beschränkt hatte. Vor der Häuserzeile aus weiß gekalkten Cottages parkten schon zwei Polizeiautos, ein Kastenwagen und ein Krankenwagen, auch wenn dieser nicht mehr gebraucht werden sollte. Wexford ließ seinen Wagen in fünfzig Metern Entfernung stehen, in der Cambridge Road. Man hatte bereits eine Absperrung aus blau-weiß gestreifter Plane mit einem Durchgang aufgestellt. Sie deckte am Haus Nummer 6 fast die gesamte Vorderfront ab. Als Wexford sich näherte, hob Barry Vine die Zeltklappe über dem Durchgang und trat heraus.

»Der Pathologe ist gerade eingetroffen, Sir«, meldete er. »Er ist jetzt bei dem Verstorbenen.«

»Wer ist es?«

»Dr. Mavrikian«, sagte Barry.

»Ich hatte nicht den Pathologen gemeint«, wandte Wexford ein. »Wen interessiert das denn? Ich meine, wer ist ›der Verstorbene‹, wie Sie ihn nennen?«

Barry kannte Wexfords Abneigung gegen Phrasendrescherei und Wortgeklingel zur Genüge und meinte deshalb: »Verzeihung, Sir.



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