Warum ich links bin ... – Aus: Kursbuch 181 by Leo Fischer

Warum ich links bin ... – Aus: Kursbuch 181 by Leo Fischer

Autor:Leo Fischer
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ISBN 978-3-86774-458-4 (eSingle)
Herausgeber: Murmann Publishers
veröffentlicht: 2015-02-18T16:00:00+00:00


Gute Satire eint alle Lager

Die Neue Frankfurter Schule, auf welchen Pardon, Titanic, die PARTEI und viele andere gute Sachen zurückgehen, war die eine Antwort auf die Aporien der Kritischen Theorie. Die andere war die RAF. Irgendwas schien am linken Denken selbst nicht zu stimmen, wenn aus dem schwarzen Ei der absoluten Negation Adornos der freundliche Kommunikationspapagei Habermas hervorschlüpfen konnte. (Der sich dann auch noch mit dem Papst trifft und was dergleichen anderer Gräuel mehr sind.) Die Neue Frankfurter Schule hingegen machte sich mit einem anderen Feind der Linken gemein, nämlich mit der verhassten Kulturindustrie. Amüsement, Zerstreuung, Gelächter, das alles wollten sie auf die Spitze treiben, um es selbst ad absurdum zu führen. Nicht umsonst behauptet Titanic von sich selbst, das »endgültige Satiremagazin« zu sein: Es geht nicht um den Witz als gesellschaftliches Schmiermittel, sondern um einen Witz, der sich seiner systemstabilisierenden Funktion bewusst ist – und diese negiert. Die alte Frankfurter Schule hatte mit Recht erkannt, dass Humor schrecklich und Satire reaktionär ist; nicht umsonst waren die ersten historisch dokumentierten Satiriker römische Adlige, die sich über die Parvenüs aus den niederen Schichten lustig machten. Humor ist zutiefst konservativ, er zeigt dem Neuen, dem Ungewöhnlichen, dem Schwachen die Zähne, bedroht es indirekt mit Gewalt und lässt diese Drohung erst dann fallen, wenn das Neue sich den Konventionen beugt, gemeinschaftliches Gelächter aufkommen kann. Deswegen sollte Titanic nicht ein Magazin für jede Art von Humor sein, sondern eines Humors, der sich selbst als solchen reflektiert, dieses reaktionäre Moment der Komik in sich aufnimmt und transzendiert, Amüsement über sich selber lachen lässt und es damit wirkungslos stellt.

Gleich, ob er sich der traditionellen oder der endgültigen Satire zurechnet: Für den Satiriker ist es immer angenehm, bis in die Haarspitzen von konservativem Ressentiment erfüllt zu sein. Im ersten Fall weiß er sich gedanklich eins mit seinem Publikum, das mit ihm seine Angst vor allem Neuen überwinden und sich gegen das Neue durchsetzen möchte; darin liegt der Erfolg von Apologeten des Bestehenden wie Dieter Nuhr begründet. Im zweiten Fall genügt es, die Ressentiments ins Groteske zu übersteigern. Der alltägliche Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, der in uns allen blubbert und gärt, kraft unserer Sozialisation, wird ungefiltert rausgelassen – nicht in kleinen Dosen, wie beim Stammtisch, verborgen in Andeutungen und Sticheleien, sondern in einem großen hässlichen Schwall. Im Idealfall erkennt der Betrachter dann, dass in ihm dieselbe braune Brühe simmert, und hütet sich fortan, sie auch nur in Spuren abzusondern. Die beste Satire spricht immer das aus, was alle zu denken glauben, und entlarvt es dadurch als reines Nichtdenken.

Woran erkennt man dann aber, dass man als Satiriker richtig gehandelt hat? Daran, dass alle dagegen sind. Die braven Linken, die sich über Rassismus, Sexismus et cetera in der Satire beschweren, und nicht wahrhaben wollen, dass ein rassistischer Titanic-Titel nicht rassistischer ist als das Foto eines brennenden Asylantenheims; die Rechten, die sich über die Verhohnepipelung ihrer edelsten Werte beschweren – wenn die Satire einschlägt, leiden wirklich die Gerechten mit den Ungerechten, wie es Tucholsky schwante, wird das reaktionäre Moment, das aller Satire eignet, gespiegelt, die Gesellschaft als Ganze für einen Augenblick reaktionär.



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