Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) by Joachim Meyerhoff

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) by Joachim Meyerhoff

Autor:Joachim Meyerhoff [Meyerhoff, Joachim]
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
ISBN: 9783462306859
Herausgeber: Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2013-02-13T23:00:00+00:00


Der Meiler

Nach dieser nautischen Niederlage entzog mein Vater dem Meer seine Zuneigung und wandte sich mit aller Macht dem Land zu. Er entdeckte eine Annonce in den »Schleswiger Nachrichten«, und ohne lange zu überlegen, kauften wir eine kleine heruntergekommene Reetdachkate an der Ostsee.

Direkt gegenüber von unserem Häuschen war noch ein anderes kleineres Gebäude, der sogenannte Altenteil. Einst gebaut für die alt gewordenen Eltern, wenn die Kinder den Hof übernahmen. Beide Häuser gehörten zusammen, begrenzten den Hofplatz. Die Gärten gingen jeweils nach hinten raus. Wir hatten also nicht nur ein sehr reparaturbedürftiges Haus erworben, sondern auch in unserer unmittelbaren Nähe alteingesessene Nachbarn bekommen. Die Familie, die zu viert in diesem winzigen Schrotthaus lebte, bildete in den kommenden Jahren das knallharte Kontrastprogramm zu unserer sich nach und nach ländlich verwirklichenden Selbstversorger-Idylle.

Kurz nachdem wir dieses Häuschen zu einem Spottpreis erstanden hatten, sah ich im Fernsehen in einer Kindersendung einen Bericht über einen Meiler. Das Wort ›Meiler‹ hatte ich zuvor noch nie gehört. In dem Beitrag war jeder Arbeitsschritt zum Bau genau beschrieben und in eindrücklichen Bildern gezeigt worden: Das Aufschichten des mehrere Meter hohen Holzstoßes. Das Abdecken mit Erde und Grassoden. Das Anfeuern und die exakt gestochenen Löcher zur Sauerstoffversorgung des Meilers. Dann das mehrere Tage, ja Wochen andauernde, stetige Rauchen des Erdhügels. Und schließlich das Öffnen und Löschen der zu Holzkohle gewordenen Scheite. Ich war begeistert.

Während ich an einem Sonntag mit meinem Vater im Auto aufs Land fuhr – ich durfte, obwohl ich noch zu jung war, vorne sitzen –, erzählte ich ihm detailliert von allem, was ich gesehen hatte. Mein Vater hörte interessiert zu und machte mir den überraschenden Vorschlag, einen solchen Meiler, natürlich viel kleiner, am Nachmittag zu bauen. Nach einer Stunde Fahrt erreichten wir die kleine Straße, an deren Ende das stark renovierungsbedürftige, reetgedeckte Häuschen lag.

Der eigentliche Anlass unseres Kommens war rasch erledigt. Mein Vater hatte seinen Fotoapparat dabei. Wir gingen gemeinsam um das Haus und den Stall herum, und er fotografierte. So schnell wie möglich sollte mit den ersten Baumaßnahmen begonnen werden, und wenn alles gut vorangehen würde, könnten wir, hoffte mein Vater, vielleicht schon in zwei Monaten das erste Mal dort übernachten. Von außen fotografierte er die klaffenden Risse in der Stallwand, die Löcher im bemoosten Reetdach, die abgerissenen Regenrinnen, die zersplitterten Fenster und die an mehreren Stellen sich türmenden Müllberge: Autoreifen, gestapelte Autotüren, Fahrradrahmen, Wellblech, Plastikfolien, Teerpappefetzen, morsche Stalltüren, undefinierbare Knochen und Unmengen von Federn.

»Entweder«, sagte mein Vater, »haben die hier ihre alten Kissen entsorgt oder jahrelang Gänse oder Hühner geschlachtet.« Im Inneren des Hauses machte er Fotos von den kaputten Holzfußböden – überall brach man ein –, der ekelhaften Küche – hinter den Herdplatten war die ganze Wand fettig braun – und dem stinkenden Klo – das zwar noch funktionierte, aber weder Deckel noch Klobrille hatte. Im Stall waren eine alte Werkstatt, mehrere Schweinekoben und uralte Ketten für die Kühe. Überall stapelte sich der Müll. »Keine Ahnung, wie viele Container wir brauchen werden, um diesen ganzen Schrott abzufahren. Mein Gott, wie die hier gehaust haben.«

Ich



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