Walhalla-Code by Uwe Klausner
Autor:Uwe Klausner
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-02-11T11:27:02+00:00
20
Berlin-Zehlendorf, König-Heinrich-Straße | 14.05h
Als er das Wohnzimmer der Möllendorfs betrat, beziehungsweise das, was davon übriggeblieben war, traute Kriminalassistent Erich Kalinke seinen Augen nicht. Das hier war der reinste Trümmerhaufen, das größte Chaos seit Attila.
Klinke blieb wie ein begossener Pudel stehen. Die Haustür offen, leergefegte Regale, aufgeschlitzte Polster–und jede Menge Krimskrams, der auf dem Boden herumlag. Um den Volksempfänger, nur noch ein Haufen Draht, Elektroden und Kabelsalat, war es natürlich nicht schade, noch weniger um ›Mein Kampf‹. Das Buch war einfach in die Ecke gepfeffert worden.
Nicht gerade die feine germanische Art, dachte Klinke, als sich seine Verblüffung allmählich zu legen begann. Ganz klar. Um dem Urheber des Durcheinanders auf die Spur zu kommen, bedurfte es keiner großen Fantasie. Die Frage war allerdings, warum die Gestapo die Bude des einstigen Vorzeige-Nazis auf den Kopf gestellt hatte. Und wo die Dame des Hauses, mit der er zu gerne ein paar Takte geredet hätte, abgeblieben war.
Eine Frage rein rhetorischer Natur, wie Klinke kurz darauf konstatierte. Die Miene des Zwei-Zentner-Mannes verfinsterte sich. Erst Tom und er, dann der Bombenanschlag und jetzt das. Der Fall, der schon längst keiner mehr war, drohte endgültig aus dem Ruder zu laufen.
Was also tun? Und überhaupt. Was war so wichtig, so wertvoll, dass dieses Verbrechersyndikat aus der Prinz-Albrecht-Straße den ganzen Laden aufgemischt hatte? Was zum Teufel hatte dieser Möllendorf ausgefressen, dass nicht nur er, sondern mittlerweile auch Sydow und ein gewisser Erich Kalinke, wohnhaft in Berlin-Kreuzberg, auf der Abschussliste der Gestapo standen?
»Was haben Sie hier zu suchen? Und wie kommen Sie überhaupt hier rein?«
Die Waffe im Anschlag machte Kalinke eine Kehrtwendung, steckte sie aber sofort wieder weg. Ganz gegen sonstige Gewohnheiten waren seine Nerven nicht mehr die allerbesten. Die Kampfhenne an der Tür, der man die Zugehfrau schon aus 100Metern Entfernung ansah, war der lebende Beweis dafür. »Mein Name ist Kalinke, und ich komme durch die Tür!«, kalauerte er, was den Hausdrachen nur noch mehr gegen ihn aufbrachte.
»Wenn Sie nicht sofort sagen, weswegen Sie hier sind, rufe ich die Polizei!«
»Schon passiert!«, kostete Klinke seinen Triumph über die klapperdürre, mit Handtasche, Pelerine und Sonntagshütchen ausstaffierte Spätfünfzigerin in vollen Zügen aus. Der Dienstausweis, den er dem Hausdrachen vor die Nase hielt, durfte natürlich nicht fehlen.
»Da kann ja jeder kommen!«, schnappte die Frau zurück.
Klinke, dem der Sinn nicht nach langatmigen Erklärungen stand, ging gar nicht erst darauf ein. »Erich Kalinke, Kripo Berlin!«, fasste er sich betont kurz. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Erna Paschke.«
»Beruf?«
»Haushälterin.«
»Grund Ihres Hierseins?«
»Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt!«, keifte der Dragoner. »Wer gibt Ihnen überhaupt das Recht…«
»Ist es Ihnen lieber, wenn ich Sie mit aufs Präsidium nehme, oder beantworten Sie jetzt endlich meine Fragen?«
Das saß. Klinke staunte über sich selbst. Anscheinend war genau dies der Ton, den die Frau verstand.
»Ich wollte einfach nach dem Rechten sehen«, gab der Hausdrache seinen Widerstand auf.
»Und das ausgerechnet an einem Sonntag? Ach ja, wenn wir gerade dabei sind. Wo ist eigentlich Frau Möllendorf geblieben?«
»Von Möllendorf.«
»Na schön, wie Sie wollen! Wann hat die Gestapo Ihre Brötchengeberin abgeholt? Und keinerlei Belehrungen mehr, wenn ich bitten darf!«
Normalerweise hätte Erna Paschke jetzt Gift und Galle gespuckt.
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