Wahnsinn mit Methode - Finanzcrash und Weltwirtschaft by Sahra Wagenknecht

Wahnsinn mit Methode - Finanzcrash und Weltwirtschaft by Sahra Wagenknecht

Autor:Sahra Wagenknecht [Wagenknecht, Sahra]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gesellschaft
Herausgeber: Das Neue Berlin
veröffentlicht: 2014-08-14T22:00:00+00:00


Reale und fiktive Finanzeinkommen

Tatsächlich war ein derart explosives Wachstum des Finanzsektors und der Finanzvermögen nur möglich, weil die heutigen Finanzmärkte die Eigenschaft besitzen, aus eigener Kraft und in nahezu unbegrenztem Umfang Einkommen, Gewinne und Vermögen zu erzeugen, denen keinerlei Käufe und Verkäufe realer Güter zugrunde liegen, sondern, genau besehen, reine Luftbuchungen.

Um mehr Klarheit in dieses unübersichtliche Terrain zu bringen, wollen wir im Folgenden zwischen zwei Arten von Finanzeinkommen unterscheiden: realen und fiktiven. Reale Finanzeinkommen beruhen auf der Umverteilung realer Wertschöpfung, also aufwerten, die außerhalb des Finanzsektors entstanden sind. Reales Finanzeinkommen entsteht beispielsweise, wenn ein Parfümhersteller sich verschuldet und die Zinsen auf den Kredit anschließend aus dem Gewinn zahlt, den er mit dem Verkauf der schönen Düfte gemacht hat. Ebenso real sind die Dividenden, die ein Elektronikgüterproduzent aus dem Gewinn ausschüttet, den er mit Tausenden verkauften Mobiltelefonen, Videorekordern oder Fernsehgeräten erzielt hat. Sehr real sind auch die Anleihezinsen, die ein Staat aus seinen Steuereinnahmen begleicht. Reale Finanzeinkommen beruhen also darauf, dass jenseits des Finanzsektors eine Leistung erbracht wurde, zahlungsfähige Abnehmer gefunden hat und Teile des so erwirtschafteten Einkommens - auf welche Art immer - an die Inhaber von Aktien, Schuldscheinen oder anderen Vermögenstiteln weitergegeben werden.

Diese realen Finanzeinkommen sind über hohe Zinsen in den 80er und über steigende Dividendenausschüttungen seit den 90er Jahren stetig angewachsen. Da sie sich in wesentlich weniger Händen konzentrieren als etwa die Lohneinkommen, werden sie überwiegend wieder angelegt, akkumulieren sich also als zusätzliches Geldvermögen.

Im Gegensatz zu den realen liegen den fiktiven Finanzeinkommen keinerlei realwirtschaftliche Vorgänge zugrunde, sie entstehen vielmehr durch spekulative Finanztransaktionen oder reine Luftbuchungen. Luftbuchungen finden im Rahmen von Ponzi-Finanzierungen statt: Solange die Zinsen auf einen Kredit immer wieder durch neue Kredite bezahlt werden, werden Einkommen - nämlich eben jene Zinseinkommen - geschaffen, die nur in den Computern der Banken existieren und denen kein einziger real produzierter Wert zugrunde liegt. Je größer die Kreditkapazität eines Bankensystems, desto endloser kann es natürlich auch derartige Einkommen erzeugen, die in der Regel sofort wieder als Geldvermögen angelegt werden. Irgendwann freilich kommt der Punkt, wo die Banken von dem Schuldner tatsächlich Cash sehen, das heißt, reales Finanzeinkommen verdienen wollen.

Noch wichtiger, weil noch unlimitierter in seiner Fähigkeit zur Simulation von Wertschöpfung, ist daher die spekulative Erzeugung fiktiver Finanzeinkommen. Dass Spekulationsgeschäfte überhaupt Einkommen schaffen, mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, weil solche Geschäfte nach gängiger Auffassung Nullsummenspiele sind, bei denen der eine gewinnt, was der andere verliert, und sie die Volkswirtschaftsstatistik daher aus gutem Grund nicht als Wertschöpfung oder Einkommen zählt. Wenn beispielsweise ein Aktionär Kursgewinne durch den Verkauf eines Teils seiner Aktienpakete realisiert, ist das Geld, das ihm auf diese Weise zufließt, statistisch kein Einkommen, weil jedem Verkäufer solcher Papiere ein Käufer gegenübersteht und damit Geld lediglich von einem zum nächsten umverteilt wird. Trotzdem beruht ein erheblicher Teil der im Finanzsektor erwirtschafteten Gewinne und Einkommen auf nichts anderem als einem solchen Reihumhandel vorhandener Wertpapiere, der mit realer Wertschöpfung so viel zu tun hat wie die Sandkuchen, die Klein Hänschen in seinem Sandkasten backt.

Der Mechanismus, über den spekulative Geschäfte Einkommen und Gewinne



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