Von toten Ratten & zahmen Tauben. Kriminalgeschichten by Gabriele Wolff

Von toten Ratten & zahmen Tauben. Kriminalgeschichten by Gabriele Wolff

Autor:Gabriele Wolff [Wolff, Gabriele]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105607695
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-21T16:00:00+00:00


Anlauf, Drehung in der Luft, das ausgestreckte Bein in Richtung des Gegners, angedeuteter Kontakt, geduckte Landung und gleich wieder in die Abwehrhaltung, geschmeidig, sicher. Das alles lautlos und in Zeitlupe. Der Film lief immer wieder ab, und immer sah sie sich in der Hauptrolle. Der Gegner war nur ein Schatten, einer, der zurückzuckte und sich verkroch. Ihre Muskeln schmerzten, die Prellung am Oberschenkel tat noch tierisch weh, und den Schrei hatte sie immer noch nicht richtig drauf. Aber eines Tages wäre sie so gut, daß allein ihr Schrei und ihre funkelnden Augen ausreichten, um jeden in die Flucht zu schlagen.

Lisa lag auf dem Bett und starrte gegen die Decke. Nichts war in Ordnung, auch wenn alle so taten, als wenn das normal wäre. Hoffentlich war sie gleich wirklich allein, dann könnte sie in Ruhe mit ihrer besten Freundin telefonieren oder das Video ansehen, bei dem man so schön heulen konnte. Das, wo er sagt, ganz ratlos, warum tust du das? Und sie sagt dann nur, weil ich dich liebe, und dieser Trottel hatte keine Ahnung, und als er das jetzt hört, glänzen seine Augen so komisch, er schluckt, der Muskel in seiner rechten Wange zuckt, und wenn er jetzt das Falsche sagt, ist sie weg, hundertprozent, und deshalb sagt er vorsichtshalber nichts, sondern küßt sie, wie er sie vorher nie geküßt hat. Das ist die Stelle, bei der sie immer heult. Wie es weitergeht mit den beiden, weiß man natürlich nicht, aber wer so küssen kann, dem fällt wahrscheinlich immer wieder was ein, um sie zurückzukriegen …

»Lisa«, der Alte stand schon mitten im Zimmer. Sie zuckte zusammen, riß die Arme hoch. Konnte er nicht …

»Kannst du nicht anklopfen?« fragte sie.

»Habe ich doch. Aber du warst wohl mal wieder ganz woanders.«

Der Alte sah sie nicht an, sondern lief im Zimmer herum, nahm ein Buch vom Regal, betrachtete den Umschlag, stellte es zurück.

»Was ist denn los? Zimmerkontrolle angesagt oder willste mal wieder Papi spielen?«

»Mein Gott, warum bist du so aggressiv? Ich wollte mich bloß von dir verabschieden, wir gehen zum Elternabend. Deine Mutter und ich, wir haben uns da was vorgenommen. Sag mal …« er setzte sich zu ihr auf das Bett. Lisa richtete sich auf und rückte gegen die Wand.

»Warum hattest du eigentlich diese Kondome dabei?«

»Wieso, hat doch gewirkt, oder?«

Der Alte sah sie verwirrt an. So alt war er eigentlich nicht, im Gegenteil, er machte was her, aber er kapierte einfach nichts. Überhaupt nichts. Genauso gut könnte er achtzig sein oder neunzig, halb taub und ohne Hörgerät, man könnte es ihm einhämmern, mit Gewalt, und dann würde er noch blöd fragen, willst du damit sagen, daß …

»Soll das heißen, daß du die Dinger gar nicht brauchtest, sondern daß du sie nur eingesteckt hast, damit euer Direx einen Heidenaufstand macht? Mann, Lisa, und deshalb gehen wir da heute abend hin und machen eine Szene, vor versammelter Mannschaft?«

»Habe ich euch darum gebeten?« Sie seufzte. »Und überhaupt, das geht dich nichts an, warum ich sie gekauft habe. Kannst sie gerne haben. Du brauchst sie wahrscheinlich nötiger als ich.



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