Von Spaà war nie die Rede by Ellen Berg
Autor:Ellen Berg
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2022-11-08T07:14:42.478000+00:00
Kapitel 20
Das letzte Mal bin ich mit Emmi Klamotten einkaufen gewesen, da muss sie ungefähr zwölf gewesen sein. Damals konnte ich sie noch zu Textilien nach Mamis Geschmack überreden: brave Hosen und Blusen, dazu hübsche Strickjacken und Pullover. Ist lange her.
Als Emilia dreizehn war, bestand sie darauf, ihren eigenen Geschmack zu kultivieren, ohne mütterliche Aufsicht. Die abgeranzte Gammelphase mit speckigen Jeans und durchlöcherten TâShirts brach an. Abgelöst wurde diese Phase durch ein fragwürdiges Leoparden-Lurex-Intermezzo, in dem sie wie eine verspätete Achtziger-Jahre-Discoqueen zur Schule ging. Danach kam die Phase, die bis heute anhält und von meiner Tochter als Bitchy Style bezeichnet wird: bauchnabelfreie TâShirts, Schlaghosen, die oben hauteng sind und unten flattern, sexy Jumpsuits.
Doch jetzt erlebe ich eine echte Premiere: Wir gehen zusammen für mich einkaufen. Das ist neu und ziemlich ungewohnt. Als wir im Auto sitzen, beginnt das gemeinsame Abenteuer damit, dass Emilia sämtlich Läden ablehnt, die ich vorschlage.
»Zu trutschig, zu spieÃig, zu altmodisch«, befindet sie. »Weil du in solche Geschäfte gehst, siehst du immer aus, als wärst du auf Kaffeefahrt und hättest deine Gruppe verloren. Du brauchst etwas, warte, wie würdest du das nennen? Jugendliches?«
Leider lässt sich meine Jugendlichkeit mit einem einzigen Wort beschreiben: vorbei.
»Emmi, Liebling, ich traue mich in die schicken Läden ja nicht mal rein«, bekenne ich. »Diese Umkleiden mit grellem Licht und Rundumverspiegelung sind die reinsten Folterkammern, und die Verkäuferinnen haben alle ein Sadomaso-Zertifikat.«
»Jetzt mach dir mal keinen Kopf, Mami. Ich habe über dich nachgedacht.«
Unwillkürlich verlangsame ich das Tempo und sehe Emmi mit groÃen Augen an.
»Ãber mich? Worüber genau?«
Ganz entspannt rutscht sie etwas tiefer in den Beifahrersitz und formt aus ihrem Kaugummi eine groÃe Blase, die knallend zerplatzt.
»Am Anfang war ich ja ein bisschen dagegen, dass du in diese Psychobude fährst.« Geschickt zieht sie die Reste der Blase zurück in ihren Mund und kaut weiter. »Aber wahrscheinlich ist das gut für dich, damit du mal lockerer wirst. Also, was brauchst du? Was Lässiges für tagsüber, was Relaxtes für die Wellnessabteilung, was Fetziges für abends?«
Ich bin vollkommen geplättet. Erst stimmt Emmi meiner Reise zu, nun will sie mir sogar helfen, etwas Passendes dafür auszusuchen? Immerhin, seit der Umstylingaktion bei der Party neige ich dazu, ihr zu vertrauen.
»Ja, das kommt hin«, antworte ich. »Aber bei meiner KleidergröÃe wird das kompliziert.«
»Ein bisschen dick ist nicht so slim«, kalauert Emmi lachend und rutscht noch etwas tiefer in den Sitz. »AuÃerdem bist du nicht übergewichtig, sondern untergroÃ, deshalb müssen wir etwas finden, das dich in die Länge zieht. Optisch, meine ich.«
Eine Viertelstunde später stehen wir in einem hippen Laden mit dem Namen Flying High For Fun. Es ist eine dieser Boutiquen, die ich niemals freiwillig betreten hätte: rockig gestylt mit Wänden aus rohem Beton und vertikal angeordneter Begrünung, bevölkert von überirdisch coolen Menschen, an denen selbst eine Mülltüte wie ein Designerteil aussehen würde.
Am liebsten möchte ich mich in Luft auflösen. Emmi dagegen fühlt sich hier wie ein Fisch im Wasser. Es ist rührend zu sehen, wie liebevoll und fürsorglich sie die Sache für mich in die Hand nimmt. Mit konzentriertem Blick
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