Von Ratlosen und Löwenherzen by Gablé Rebecca
Autor:Gablé, Rebecca [Gablé, Rebecca]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2011-03-31T22:00:00+00:00
Auf den ersten Blick ist die Wahl dieses Anführers ein bisschen sonderbar, denn in gewisser Weise war auch Simon of Montfort einer dieser französischen Glücksritter, die in der Goldgräberstimmung der frühen Regierungsjahre Henrys nach England gekommen waren. Aber Simon of Montfort hatte nicht nur eine charismatische Persönlichkeit und einen berechtigten Anspruch auf den Titel des Earl of Leicester, er schaffte es auch, dass König Henrys verwitwete Schwester Eleanor sich so unsterblich in ihn verliebte, dass sie ihr Keuschheitsgelübde brach und ihn heimlich heiratete. Nach einigem Grummeln billigte Henry diese Verbindung, und als Schwager des Königs war Simon of Montfort natürlich ein einflussreicher Mann.
Aber Schwager hin oder her – 1258 war das Maß voll, und Simon of Montfort war federführend unter den Lords, die König Henry zu den »Provisions of Oxford« zwangen, einem Vertrag, der weit über die »Magna Charta« hinausging und den König zu weiten Teilen entmachtete. In einem Rat, dessen Mitglieder zur Hälfte die Barone und zur Hälfte der König bestimmen sollten, regierte Letzterer praktisch nur noch als »Primus inter Pares« (Erster unter Gleichen), und das Parlament (das zu diesem Zeitpunkt nur aus den weltlichen und kirchlichen Lords bestand) sollte sich dreimal im Jahr versammeln.
Doch die Zeit war noch nicht reif für solch quasi-demokratische Verhältnisse, und sowohl der Papst als auch Louis von Frankreich bekamen weiche Knie. Was soll aus der Welt werden, wenn die von Gott gewollte Ordnung in Frage gestellt wird, überlegten sie. Was, wenn dieser unerhörte Machtanspruch der Barone auf den Kontinent überschwappt? Der kluge Louis unterstützte Henry gegen die Lords, und der Papst drohte ihnen mit der Exkommunizierungskeule. Doch als Henry Anstalten machte, die »Provisions of Oxford« vom Papst für nichtig erklären zu lassen, griffen die Barone zu den Waffen.
Am 14. Mai 1264 kam es bei Lewes in Sussex zur Schlacht. Henry machte seinem Ruf als Feldherr alle Ehre und verlor trotz zahlenmäßiger Überlegenheit gegen die Barone unter Simon of Montfort. Kläglich. Henrys Bruder Richard, der Earl of Cornwall, floh in eine Mühle und gilt deswegen bis heute als einer der jämmerlichsten Feiglinge der englischen Geschichte. Der Einzige, der auf Seiten der königstreuen Truppen eine halbwegs gute Figur machte, war Henrys fünfundzwanzigjähriger Sohn Edward. Er geriet in Gefangenschaft – genau wie der König –, und die Barone behielten ihn als Geisel, um sich für die Zukunft Henrys zahme Kooperation zu sichern. Aber der junge Prinz Edward war ein Plantagenet reinsten Wassers: Er ließ sich nicht so ohne Weiteres wegsperren, und wir werden noch allerhand von ihm hören.
Erst einmal gehörte der Sieg aber Simon of Montfort, der fortan wie ein ungekrönter König herrschte. Er rief ein Parlament ein, zu welchem auch je zwei Ritter bzw. Bürger aus verschiedenen Grafschaften und Städten geladen wurden. Das tat er, weil er sich der Unterstützung dieser gesellschaftlichen Mittelschicht sicher sein konnte, aber ganz gleich, was seine Motive waren: Es war der erste Schritt zur aktiven Teilhabe der »Commons« am Parlament.
Doch Regieren ist immer schwieriger als Opposition. Kaum hatten die Engländer festgestellt, dass auch Simon of Montfort nur mit Wasser kochte und nicht alle Missstände von heute auf morgen abstellen konnte, kamen ihnen Zweifel.
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