Vinum Mysterium by Carsten S Henn

Vinum Mysterium by Carsten S Henn

Autor:Carsten S Henn [Henn, Carsten S]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863583569
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2015-04-13T16:00:00+00:00


8. Kapitel

»Der Hunger versüßt die Bohnen«

Es war keine lauwarme Sommernacht.

Zumindest fühlte sie sich nicht so an.

Julius saß allein in Annas Wagen, und es war ihm, als glitte die Kälte mit nasser Zunge in die Hosenbeine, die Hemdsärmel hinauf und um Hals und Ohren, als hätte sie lange kein Opfer mehr gehabt.

Und zum zweiten Mal hieß es in dieser Nacht warten.

Der Polizeihubschrauber war vor einiger Zeit mit Suchstrahler über ihn geflogen. Es war noch länger her, dass Anna nach einer flüchtigen Begrüßung hinter den Sanitätern den Weg raufgejagt war.

FX wurde schon seit einiger Zeit in einem Einsatzwagen der Polizei verhört.

Julius drückte mit den Zehen gegen die Sohle, dann gegen die Oberschale seiner Lederschuhe, um etwas Wärme in die Füße zu bekommen. Die Hände schob er in seine Armbeugen. Wie hatte er es gehasst, wenn früher Großtante Traudchen aus Kalenborn kam, deren Spezialität diese Art des Handwärmens war. Danach hatte sie ihm oft mit ihren schwitzigen Händen das Gesicht getätschelt.

Aber es war eine effektive Methode, das musste er ihr lassen.

Neben der Kälte störte ihn am meisten die Unordnung. Annas Wagen war die fahrende Chaostheorie. Im Handschuhfach lag eine leere Papierkaffeetasse, die Landkarten befanden sich gequetscht in den Seitenfächern, und die Fußmatten waren vor Dreck nicht auszumachen. Von den zerkratzten CD-Hüllen viertklassiger Künstler ganz zu schweigen. Was fand er nur an dieser Frau?

Die Fahrertür wurde geöffnet, und Anna stieg ein. Das funzelige Licht im Wagen ging automatisch an.

Sie hatte wirklich eine süße kleine Nase.

»Und?«, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Es war nichts mehr zu machen. Als die Rettungssanitäter ankamen, war es schon zu spät. Ich hab sie nur noch tot zu Gesicht bekommen. Die Todesursache ist noch unklar. Wir haben nach Weinflecken gesucht, nach Flaschen, Scherben, Korken, irgendwas in der Art. Aber nichts gefunden.«

Das war ein Schlag. Der Landrat tot. Dr. Gottfried Bäcker war mehr als ein Politiker für die Ahrtaler gewesen. Durch seine lange Amtszeit hatte er vielmehr die Aura eines kleinen Königs gehabt. Ein beliebter rundlicher Regent, der schalten und walten konnte, wie er wollte. Julius hatte ihn geschätzt, weil sie beide gerne gegessen hatten und natürlich auch getrunken, weil der mächtige Koloss eine Schwäche für Julius gehabt hatte und weil Bäckers Handeln trotz aller Egozentrik doch immer dem Wohl des Tals gegolten hatte. Auch wenn Julius mit ihm nicht immer übereingestimmt hatte, was darunter zu verstehen war. Und obwohl bei vielen Geschäften etwas für Bäckers Spezis abgefallen war. Das hatte er ihm alles verziehen. Das gehörte einfach zu diesem Mann.

Der jetzt nicht mehr da sein würde.

Das Licht ging aus, und Anna redete weiter, Julius plötzliche Stille nicht bemerkend. »Er benutzt jedes Mal eine andere Methode. Er will uns zeigen, wie einfallsreich er ist. Aber Wein wird wieder damit zu tun haben, garantiert. Und zwar der ›Vinum Mysterium‹ aus der letzten Flasche.« Anna fuhr sich langsam über das Gesicht. »Die Sanitäter konnten die beiden Opfer noch fragen, wer ihnen das angetan hat. Aber sie bekamen vor Schmerzen nichts raus. Vielleicht hat den Täter ja jemand bei seinem Wagen gesehen. Oder sich sein Auto gemerkt.



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