Vier Arten, die Liebe zu vergessen by Thommie Bayer

Vier Arten, die Liebe zu vergessen by Thommie Bayer

Autor:Thommie Bayer [Bayer, Thommie]
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783492958424
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-09-28T19:49:01+00:00


Kapitel 4

Sie gingen direkt zur Sicherheitsschleuse. Megan hatte Michaels Ticket schon in Dublin gekauft und bei ihrer Ankunft hier gleich wieder eingecheckt. Nachdem er die Schleuse passiert und seine Sachen vom Band genommen hatte, spürte Michael, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen. Die Frau, die die Plastikwannen einsammelte, um sie wieder nach vorn zu bringen, sah ihn prüfend an, sagte aber nichts. Megan wartete auf ihn und nahm seine Hand, als sie weiter zum Gate gingen.

»Kanntest du ihn?«, fragte sie irgendwann auf dem Weg zum Gate.

»Wen?«

»Rahul. Ians große Liebe.«

»Nein, ich wusste nicht mal, dass er schwul war.«

»Uns hat er das auch erst vor zwei Monaten gesagt. Er war so glücklich.«

»Ja«, sagte Michael und ließ Megans Hand los, um sich das nasse Gesicht mit dem Jackenärmel abzuwischen.

»Ich weiß nicht, wieso ich weine«, sagte er.

Sie schwieg.

Vielleicht, weil sein Gehirn sich noch immer weigerte, Ordnung in das Durcheinander zu bringen, dachte er darüber nach, ob Bernd und Wagner den nächsten Tag noch bleiben würden, ob jemand Bernd auf seine Unhöflichkeit hinweisen würde, ob Thomas es schaffen würde, an diesem Abend auf einer geraden Linie von der Tür zum Bett zu kommen, ob Wagner sich jetzt gerade etwas ohne Fleisch bestellen würde, ob Serafina sich noch einmal bei den dreien sehen lassen würde und ob mit dem Besuch dieser müde gewordenen Jugendfreunde etwas Altes an sein Ende oder etwas Neues in Gang gekommen war.

Im Flugzeug ließ er Megan den Vortritt ans Fenster, falls sie schlafen wollte, und sie sah schweigend hinaus, bis das Flugzeug losrannte und irgendwann schwerfällig abhob, eine steile Kurve über dem Wasser flog und sich nach Norden, landeinwärts, auf die Alpen zubewegte. Sie nahm wieder seine Hand, als Michael wieder weinte – diesmal hatte er den anderen Arm frei, um sich das Gesicht zu trocknen.

»Entschuldige«, sagte er.

»Rubbish«, sagte sie und wandte den Kopf zum Fenster.

Michael wusste nichts gegen den Bildersalat in seinem Kopf zu unternehmen: Ian, der strahlend sein Cottage betrat, sich auf seinen Freund freute, dessen Namen rief und ihn schließlich im Bad in blutrotem Wasser liegend fand, Erin, die jetzt aus irgendeinem Grund wusste, dass Michael das Phantom war, und ihm seine Heimlichtuerei übel nehmen konnte, Megan, die sich Erin irgendwann anvertraut haben musste, vor vielen Jahren beim Einstudieren von Goodbye and good luck, die erzählt hatte von einem Deutschen, der ein freier Mann werden wollte und Ian kannte, Ian, der Erin und Megan gesagt haben musste, das Phantom sei sein Freund, Ian, der auf den Stufen vor seinem Cottage saß und sich nicht bewegen konnte, die ganze Nacht hindurch, bis Erin ihn endlich abholte, Ian, der in Erins Haus saß und sich noch immer nicht bewegte, Erin, die in seiner Nähe blieb und sich das Schlafen verbot, weil er jederzeit zu sich kommen und durchdrehen konnte.

Kurz vor der Zwischenlandung in Frankfurt fragte Michael endlich: »Woher wisst ihr von mir? Hat Ian das gesagt?«

»Erin hat einen Brief von ihrer alten Lehrerin gekriegt«, sagte Megan. »Gestern. Sie hat dich beschrieben und gefragt, ob so mein free man ausgesehen hat.«

»Aber unsere Lehrerin wusste das nicht.



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