Versunkene Staedte by Paolo Bacigalupi

Versunkene Staedte by Paolo Bacigalupi

Autor:Paolo Bacigalupi [Bacigalupi, Paolo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3453534468
Herausgeber: Heyne Taschenbuch
veröffentlicht: 2013-09-18T04:00:00+00:00


23

Feigling.

Feigling. Feigling, Feigling, Feiglingfeiglingfeigling …

Das Wort ging Mahlia immer wieder durch den Kopf, und mit jedem Schritt, den sie sich von dem Dorf entfernte, wurde die Anklage lauter.

Ich habe versucht, sie davon abzuhalten und ihnen den Arsch zu retten. Es wäre ihnen nichts passiert, wenn sie nur auf mich gehört hätten.

Doktor Mahfouz hatte immer von Orten geredet, wo Kinder aufwachsen konnten, ohne beständig nach Schlupflöchern Ausschau zu halten oder vor den Soldaten zu zittern. Orte, wo man älter werden konnte als zwanzig. Mouse hätte dort geboren werden sollen. Er hatte einfach nicht das Zeug für ein Leben in den versunkenen Städten. Viel zu nett. Ein schlichter Junge vom Land, der nicht wusste, wie man am Leben blieb.

Ja, er war so dumm gewesen, dich zu retten, nicht wahr?

Mahlia hasste diesen Gedanken, doch sie wurde ihn einfach nicht los. Mouse hatte die Soldaten der Gottesarmee angegriffen, obwohl er es eigentlich nicht hätte tun dürfen. Er hatte mit Steinen geworfen und Gewehrkugeln geerntet. Es war das Dümmste auf der Welt gewesen.

Warum hast du nicht dasselbe für ihn getan? Du schuldest ihm was. Wenn du von den Soldaten aufgegriffen worden wärst, hätte er bestimmt irgendetwas unternommen.

Deswegen war er auch dem Arzt gefolgt, um den Leuten im Dorf zu helfen. Und deswegen war er jetzt tot.

Feigling.

Immer wieder ging ihr dieses Wort durch den Kopf, während sie durch den Dschungel stolperte, begleitet von dem schweigenden, hinkenden Halbmenschen.

Feigling.

Der Gedanke bohrte sich in ihr Herz, als die Dunkelheit herabsank. Er machte sich in ihren Eingeweiden breit, während sie in den Ästen eines Baumes zu schlafen versuchte. Und am Morgen wachte er mit ihr auf, klebte an ihr fest und lastete auf ihren Schultern, wenn sie hungrig und erschöpft nach einer Nacht voller Albträume von dem Baum hinunterkletterte.

Sie war ein Feigling.

Gelbes Morgenlicht fiel durch das Blätterdach des Dschungels und erhellte den feuchten Dunst, der in der Luft lag. Von Übelkeit erfüllt blickte Mahlia sich unter den Bäumen um. Sie wusste, dass sie dieses Gefühl bis an ihr Lebensende nicht würde abschütteln können. Es gab kein Entkommen. Sie war weggelaufen, anstatt der einzigen Familie zu helfen, die sie noch besaß.

Sie war genau wie ihr Vater.

Als die Friedenswächter nach fünfzehn Jahren endlich aufgegeben hatten, die versunkenen Städte zivilisieren zu wollen, hatte ihr Vater nicht zurückgeblickt. Er war mit den anderen Soldaten seiner Armee zu den Truppentransportern gelaufen, während die Kriegsherren die Stadt gestürmt hatten.

Mahlia erinnerte sich an die Schüsse und Explosionen. Und daran, wie sie mit ihrer Mutter verzweifelt zum Hafen gerannt war, in der festen Überzeugung, dass auf den Schiffen der Friedenswächter ein Platz für sie reserviert sein würde. Die Menschen waren in das Hafenbecken des Potomac Harbor gesprungen, als die letzten Truppentransporter der Friedenswächter und Handelsschiffe der großen Firmen ohne sie in See gestochen waren. Riesige weiße Segel hatten sich entfaltet, Tragflügel waren ausgefahren worden, und der Wind hatte sich darin verfangen und die Klipper davongetragen.

Mahlia und ihre Mutter hatten lange am Hafenbecken gestanden und gewunken in der Hoffnung, dass die Schiffe doch noch zurückkehren würden. So lange, bis



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