Verratene Freundschaft by Spitzner Anne

Autor:Spitzner, Anne [Spitzner, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-944257-62-4
Herausgeber: Hallenberger Media UG (haftungsbeschränkt), Schardt Verlag e.K.
veröffentlicht: 2015-01-13T05:00:00+00:00

Es ist fast Zeit für Sandra, heimzukommen, als Peter Andert aufsteht und sich von Jana an die Tür bringen lässt. Er hat ihr alles von seiner Tochter erzählt, was er weiß, und obwohl er sich nicht viel mit ihr beschäftigt hat, hat sie doch immerhin ihn beschäftigt: Die Gedanken, die er sich um und über seine Tochter gemacht hat, sind vielschichtig und ausführlich. Jana glaubt, Julia jetzt ein wenig besser zu kennen. Sie sieht unter der Oberfläche der Promisken die Halbwaise, die ihren Vater an die tote Mutter erinnert und deshalb von ihm vernachlässigt wird, obwohl er sich alle Mühe gibt, genau das nicht zu tun, und die verzweifelt um seine Aufmerksamkeit ringt, mit welchen Mitteln auch immer.

„Vielen Dank, dass Sie hergekommen sind“, verabschiedet sie ihn. Ihre Kopfschmerzen sind nicht mehr existent.

„Danke, dass Sie mir zugehört haben“, lächelt er zurück.

„Das ist mein Job“, antwortet sie, aber sie denkt dabei, dass das heutige Gespräch nicht viel mit der Arbeit zu tun hatte.

Sandra kommt beinahe pünktlich. Sie hat noch mit einigen anderen „Freunden“ Julias gesprochen, die sie jeweils bei der Arbeit aufgesucht hat. Danach hat sie ihre Berichte ge- und sich etwa eine halbe Überstunde aufgeschrieben.

„Wie geht’s dir?“ Sie hat sich ins Haus geschlichen, darauf gefasst, Jana stöhnend im Bett vorzufinden, und ist dementsprechend überrascht, sie quietschfidel in der Küche herumreusen zu sehen.

„Gut. Die Aspirin haben angeschlagen, und was noch viel besser ist – seit ich heute Morgen klar denken konnte, spukt Peter nicht mehr in meinem Kopf herum.“

„Prima“, freut sich Sandra. Dann sieht sie die zwei Kaffeetassen auf der Spüle, die Jana noch nicht weggeräumt hat. „Wer war denn hier?“

Jana grinst. „Julias Vater.“

Sandra kapiert gar nichts. „Sag´s noch mal. Wer war hier?“

Das Grinsen wird noch ein gutes Stück breiter und erreicht in etwa die Ausmaße des Grand Canyon, als Jana ihre Antwort wiederholt und hinzufügt: „Als mein Kopf wieder klar war – ich betone, so klar wie seit Monaten nicht mehr! –, hatte ich den dringenden Wunsch, mich mit ihm zu unterhalten. Ich habe ihn angerufen, und weil ich kein Auto hatte – und wahrscheinlich sowieso noch Restalkohol im Blut –, war er so nett und ist hergekommen.“

Sandra lächelt. „Hat dieses Gespräch denn etwas gebracht?“

„Ja.“ Jana klingt sehr überzeugt, als sie das sagt. Sie berichtet Sandra die komprimierte Version ihrer Unterhaltung mit Peter Andert und lässt die fast vertraute Atmosphäre weg.

„Mittlerweile glaube ich, Julia hat all das nur getan, um die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu bekommen, nur wusste sie selbst nichts davon. Und es hat auch nicht geklappt. Stattdessen hat ihr Vater sich wieder verheiratet und ihr eine neue Mutter vor die Nase gesetzt, die ihre Schwester hätte sein können – und sie hatte noch weniger Aufmerksamkeit als zuvor.“

Sandra weiß, dass Jana meistens etwas findet, das man bemitleiden anstatt verachten kann. Das ist ihre Art, mit Menschen wie Julia Andert fertigzuwerden, aber Sandra selbst kann mit dieser Taktik oft nur schwer umgehen. Sie neigt eher dazu, Menschen bedingungslos verantwortlich zu machen, zu verachten und sogar zu hassen für das, was sie tun.

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