Verfuehrung by Tanja Kinkel
Autor:Tanja Kinkel [Kinkel, Tanja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426512876
Google: QyHJNAEACAAJ
Amazon: 3426512874
Goodreads: 18164764
Herausgeber: Knaur
veröffentlicht: 2013-06-25T22:00:00+00:00
Petronio war weder auf seinem Zimmer, als sie ihn suchte, noch bei Cecilia, die sie verärgert wissen ließ, dass sie heute Nacht, wo sie das Bett für sich alleine hatte, gerne ungestört schlafen wolle, was hieß, dass Marina schon länger bei Casanova war. Mama Lanti schlief ebenfalls schon. Der Wirt wusste nichts über Petronios Verbleib und der Knecht nur, dass er vor kurzem das Gasthaus verlassen hatte.
Unter anderen Umständen hätte Bellino es dabei belassen. Aber morgen würde sie mit Casanova nach Rimini aufbrechen, und damit hätte sie für die nächste Zeit keine Gelegenheit mehr, mit Petronio unter vier Augen zu reden, denn er würde hier bei Mama Lanti und den Mädchen bleiben und erst später nachkommen. Vielleicht gab es keinen Grund für ihre Unruhe, aber sie musste jetzt wissen, was er von ihr dachte. Jetzt, wo ihm klar sein musste, dass sie nicht sein Bruder war.
Sie beschloss, auf ihn zu warten. Offenbar hatte sie mehr Champagner und Wein getrunken, als sie hätte tun sollen, denn sie glitt sehr schnell in einen tiefen Schlaf und merkte erst, dass sie in Kleidern auf Petronios Bett lag statt im Nachthemd in dem ihren, als er sie wachrüttelte.
»Was tust du hier?«, fragte er erbost. Sie blinzelte und brauchte einen Weile, bis sich ihre Augen an das fahle Licht gewöhnten, das vom Gang und durch das Fenster drang. Konnte es denn schon Morgengrauen sein?
»Ich wollte mit dir sprechen«, sagte sie schlaftrunken.
»Ich will aber nicht mit dir sprechen. Bellino«, erwiderte er mit einer vielsagenden Pause zwischen der Feststellung und ihrem Namen. Je besser sie sehen konnte, desto mehr konnte sie erkennen, dass seine Lippen geschwollen waren und sein Hemd aufgerissen. Außerdem stank er nach Alkohol. Nicht nach Don Sanchos teurem Wein, sondern nach Schnaps, wie ihn die Seeleute und Hafenarbeiter tranken, als sie mit Casanova die Schiffe besichtigt hatte. Ging nicht auch ein leichter Fischgeruch von ihm aus? Bestimmt war er am Hafen gewesen. Er kniete auf dem Bett neben ihr und sah sie an.
»Ich dachte – manchmal wenigstens –, manchmal war ich sicher, dass du es schon weißt«, stammelte sie.
»Dass Mama es schafft, noch Gewinn aus Bellino zu schlagen, selbst wenn er tot ist? Tja, das hätte ich wohl wissen müssen.«
In ihr Schuldbewusstsein mischte sich Ärger. »Ihr habt alle Gewinn daraus geschlagen, dass es Bellino noch gibt. Du auch. Also …«
Tu nicht so und lass es nicht an Mama aus, wollte sie fortfahren, doch er missverstand sie und stieß sie zur Seite. »Du – nie hab ich –, weißt du eigentlich, wie oft mich Kerle und Weiber gefragt haben, ob ich ihnen nicht meinen lieben Bruder ins Bett legen kann? Mir noch mehr Geld angeboten haben, wenn ich dich überrede, auch dazuzukommen? Immer habe ich nein gesagt! Und jetzt, jetzt …«
»Es tut mir leid!«
»Dir tut es leid«, sagte Petronio und lehnte sich an die Wand, an der sein Bett stand. »Was denn? Dass du dich verplappert hast mit Neapel, das tut dir leid. Sollte es auch. Dir tut’s nicht leid, dass mein Bruder tot ist,
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