Verflucht: Roman (German Edition) by Palahniuk Chuck

Verflucht: Roman (German Edition) by Palahniuk Chuck

Autor:Palahniuk, Chuck [Palahniuk, Chuck]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-09-29T22:00:00+00:00


XVI.

Bist du da, Satan? Ich bin’s, Madison. Heute habe ich am Telefon eine neue Freundin kennengelernt. Sie ist nicht tot, noch nicht, aber ich weiß schon, wir werden mal total gute Freundinnen sein.

ach meiner Armbanduhr bin ich jetzt seit drei Monaten, zwei Wochen, fünf Tagen und siebzehn Stunden tot. Zieht das mal von der Ewigkeit ab, dann bekommt ihr eine Vorstellung davon, warum jede Menge verdammte Seelen alle Hoffnung fahren lassen. Ich will ja nicht angeben, aber es ist mir gelungen, trotz der insgesamt sehr schmutzigen Umweltbedingungen hier einigermaßen präsentabel zu bleiben. Seit neuestem reinige ich regelmäßig mein Headset und staube meinen Stuhl gründlich ab, bevor ich die ersten Anrufe mache. Momentan spreche ich mit einer älteren einsamen Frau, die laut Vorwahl irgendwo in Memphis, Tennessee, lebt. Die Bedauernswerte traut sich tagelang nicht aus dem Haus, weil sie nicht weiß, ob sie sich noch einmal zu einer Chemotherapie durchringen soll oder nicht; es geht ihr auch so schon schlecht genug.

Die gebrechliche Frau hat fast alle meine Fragen zu ihren Kaugummipräferenzen, ihrem Büroklammerkonsumverhalten und Wattebauschverbrauch beantwortet. Ich habe ihr schon längst gestanden, dass ich dreizehn Jahre alt und tot und in die Hölle verbannt bin. Ich schwärme ihr vor, der Tod sei ein Kinderspiel, und falls sie Fragen habe, ob sie lieber in den Himmel oder in die Hölle gehen soll, müsse sie auf der Stelle loslaufen und irgendein abscheuliches Verbrechen begehen. In der Hölle, sage ich, ist echt was los.

»Jackie Kennedy Onassis ist hier«, erzähle ich der Frau am Telefon. »Die müssen Sie einfach kennenlernen …«

Ehrlich gesagt sind alle Kennedys hier unten, aber so eine allgemeine Aussage ist nicht gerade das optimale Verkaufsargument.

Doch trotz der Schmerzen, die der Krebs ihr bereitet, und der scheußlichen Nebenwirkungen der Behandlung möchte die Dame in Memphis nicht aus dem Leben scheiden.

Ich weise sie darauf hin, dass einem nach der Ankunft in der Hölle keineswegs plötzlich ein Licht aufgeht. Niemand schlägt sich hier in seiner schmutzigen Zelle an die Stirn und sagt: »Also nein! Was war ich bloß für ein Arschloch!«

Hier werden einem die Flausen nicht plötzlich weggehext. Eher steigern sich Charakterfehler ins Unermessliche. Rüpel bleiben in der Hölle Rüpel. Wütende sind immer noch wütend. An der schlechten Führung, die einem den ewigen Platz in der Hölle eingebracht hat, ändert sich im Wesentlichen nichts.

Und ich ermahne die Krebskranke, von den Dämonen nur ja keine Ratschläge oder Hilfestellungen zu erwarten. Es sei denn, sie kann ihnen regelmäßig Chick-O-Sticks und Heath-Riegel in die Hand drücken. Es kann vorkommen, dass die dämonischen Bürokraten mal ein paar Papiere eifrig hin und her schieben und euch versprechen, sich die Akten noch einmal anzusehen, tatsächlich aber denken sie: Irgendetwas werdet ihr schon ausgefressen haben, sonst wärt ihr nicht hier. So gesehen ist die Hölle schrecklich passiv-aggressiv. Wie die Erde. Wie meine Mutter.

Leonard zufolge werden die Leute in der Hölle zurechtgestutzt, indem man ihnen gestattet, sich immer extremer auszuleben, sich zu hässlichen Karikaturen ihrer selbst zu entwickeln, so dass sie immer weniger Belohnungen erhalten, bis sie ihre Torheit endlich einsehen. Vielleicht, überlege ich am Telefon, ist das die einzig brauchbare Lektion, die man in der Hölle lernt.



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