Unsere Ponies und wir by Lise Gast

Unsere Ponies und wir by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00


Unser neuntes Kind

Das glücklich überstandene Hochwasser hatte ein Nachspiel, das leicht böse hätte ausgehen können. Julchen war beim Kampf mit der Quelle, den sie wacker an Mutters Seite durchgestanden hatte, einmal ausgerutscht und setzte sich auf den Hosenboden. Sie ist stabil und wertbeständig, aber um diese Zeit bekam ihr das plötzliche Platznehmen nicht. Sie erwartete nämlich unser neuntes Kind.

Da ihr Mann als Vertreter viel unterwegs ist, blieb sie uns treu. Wir Großen freuten uns auf den Ankömmling, die Kleinen ahnten nichts. Das Baby sollte Ende April kommen.

Das Hochwasser kam am 1. März. Eine Woche lang quälte sich Julchen so hin, schließlich vertraute sie sich Mutter an. Dies geschah an einem Morgen, als die Kleinen schon zur Schule gegangen waren. Stud. med. Lotte, Mutter und Julchen hielten einen Kriegsrat ab. Fliege und Brummer waren inzwischen wieder abgeschwirrt.

Schließlich sattelte Mutter und ritt zur weisen Frau, die man in Hessen die „Amme“ nennt. Ganz glaubte sie noch nicht dran. Gespannt warteten wir auf das Urteil der Storchentante, und das lautete: „Zu früh, aber heftig auf dem Wege.“

So, da hatten wir es. Mutter machte Feuer und setzte Wasser auf. Das tut man auf dem Lande, wenn ein Kind im Anzuge ist. Julchen wurde in den Liegestuhl gepackt, vielleicht beruhigte sich das Ganze noch einmal. Als die Kleinen aus der Schule kamen, wunderten sie sich über Julchens Hinfälligkeit. „Was hat sie denn?“ fragten sie.

„Hexenschuß“, erklärte Mutter.

„Tut Hexenschuß sehr weh?“ fragte Uli mitleidig.

„Sehr“, bestätigte Mutter.

Gegen Abend rüsteten wir zum Aufbruch, es war nicht mehr hinauszuzögern. Lotte weigerte sich rundheraus, den Ponywagen einzuspannen.

„Wozu gibt es Taxen?“ forderte sie kategorisch. Also entschwebte Julchen per Auto-PS und Mutter mit ihr. Uns blieb nichts übrig als entsetzlich tüchtig zu sein, damit die Zeit verginge. Nach einer Stunde rief Mutter an, daß man die Klinik mit knapper Not erreicht habe. Sie selber aber sei hinausgeworfen worden. Nun taumele sie durch Schwäbisch Gmünd und würde sich dem Alkohol ergeben müssen.

Sobald die Kleinen im Bett waren, hatten wir den Korb mit der Bügelwäsche in die Küche geschleppt und schufteten. Arbeit ist das einzige, was über Wartestunden hinwegbringt. Gottlob blieben wir zu zweit wach, Katrin und Lotte. Alle Uhren im Haus waren einmütig stehengeblieben. Es war scheußlich.

Lotte, durch ihr Studium vorgebildet, ahnte bereits, was es bedeuten kann, wenn ein kleiner Mensch sechs Wochen zu früh auf der schönsten aller Welten erscheint. Und wir hatten uns schon so gefreut! Das Telefon schwieg. Vielleicht war es kaputt?

Alle fünf Minuten hoben wir den Hörer ab und horchten, ob es noch tutete. Es tat: aber warum rief Mutter nicht an?

Sie konnte nicht, denn sie wußte ja selber nichts. Schließlich landete sie, nicht beim Alkohol, aber bei mitleidigen Reitbekannten, deren Wohnung sie erst mühsam erfragen mußte. Von dort aus rief sie die Klinik an und durfte schließlich sogar noch einmal hinein.

Da sich gerade eine Gelegenheit ergab, mit einem Auto Richtung Heimat zu fahren, erschien sie ohne Vorwarnung bei uns.

„Na?“ fragten wir beide kreideblaß.

„Ein Junge“, sagte Mutter und setzte sich.

Er wäre sehr, sehr klein, aber Julchen ginge es einigermaßen. Der Arzt meinte, der Kleine würde wohl am Leben bleiben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.